Kaum steht der Kuchen oder das Schinkensandwich auf dem Gartentisch, zieht es die Wespen an. Wie lassen sich Wespen vertreiben? Was ist zu tun bei einem Stich? Und bei welchen Symptomen braucht es eine medizinische Fachperson? Kinderärztin Carole Winiger-Candolfi gibt Antworten.
Carole Winiger-Candolfi, wie können Eltern ihre Babys und Kleinkinder vor Wespen schützen?
Wenn das Baby in der Tragewanne liegt, lohnt es sich, ein Moskitonetz darüber zu spannen. So ein kleines Netz ist nicht teuer und schützt effektiv. Zudem lohnt es sich, darauf zu achten, dass bei einem Essen im Freien keine Speisen oder Süssgetränke offen herumstehen. Es gilt, möglichst alles abzudecken, das Wespen anlocken könnte. Auch lange Kleidung bietet Schutz vor Wespenstichen.
Und was, wenn ein Kind doch von einer Wespe gestochen wird?
Das Kind wird weinen – wohl vor Schmerz, aber sicher auch vor Schreck. Umso wichtiger, dass die Eltern ruhig bleiben. Sie sollen jetzt die Einstichstelle kühlen. Kühlbeutel aus dem Tiefkühler sind oft zu kalt für Kinderhaut. Ich empfehle stattdessen ein mit Hirsesamen gefülltes Stoffsäckchen. Dieses ist angenehmer und anschmiegsamer als ein Kühlbeutel. Gegen das Jucken und zur Linderung leichter allergischer Reaktionen können weiter Antihistaminika wie zum Beispiel Fenistil Gel oder Feniallerg Tropfen helfen. Bei einem Stich im Mund empfehle ich das Lutschen eines Eiswürfels – und das Aufsuchen der Kinderärztin oder des Kinderarztes.
Was geschieht im «Normalfall», wenn eine Wespe zusticht?
Die Kinderhaut um die Einstichstelle rötet sich, sie brennt, juckt und schwillt an. Das ist eine toxische Reaktion und ganz normal. Sie bildet sich meistens innert 48 Stunden wieder deutlich zurück. Ein Wespenstich kann aber auch eine systemische allergische Reaktion auslösen.
Wie äussert sich diese?
Zu den Symptomen gehören geschwollene Augen, ein geschwollenes Gesicht oder geschwollene Lippen sowie juckende Quasseln am ganzen Körper. Es können auch Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe und Durchfall auftreten. Heiserkeit und Atemnot sind ebenfalls Warnzeichen. Dann empfiehlt sich eine Abklärung bei der Kinderärztin oder beim Kinderarzt.
Wie verhält sich die schwerste Reaktion auf einen Wespenstich, der allergische Schock?
Der allergische Schock, auch anaphylaktischen Schock genannt, tritt umgehend nach dem Stechen ein. Das Kind atmet schwer, seine Zunge und/oder sein Rachen kribbelt und fühlt sich pelzig an, sein Kreislauf sackt zusammen – jetzt heisst es: sofort die Notrufnummer 144 alarmieren. Die Fachkräfte werden das Kind mit den entsprechenden Medikamenten behandeln und die Erstickungsgefahr abwenden.
Welche Erste Hilfe können Eltern leisten?
Bei Atemnot oder Atmungsproblemen gilt: Das Kind in eine sitzende Haltung bringen, beengende Kleidung, vor allem am Hals, lockern oder entfernen. Hat das Kind Kreislaufschocksymptome: Schocklagerung vornehmen, also das Kind zum Liegen bringen und die Beine hochlagern. Leidet es gleichzeitig an Atemnot, sollte sein Oberkörper möglichst aufrecht sein.
Wie erfahren Eltern, ob ihr Kind allergisch ist auf Wespenstiche?
Das lässt sich nicht im Voraus sagen. Die Allergie kann plötzlich auftreten, was bedeutet: Vielleicht steckt das Kind den ersten, zweiten und dritten Wespenstich locker weg. Beim vierten Stich aber reagiert es allergisch. Ich verstehe, wenn diese Ungewissheit Eltern zu schaffen macht. Ihnen empfehle ich, die Ängste mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt zu besprechen.
Carole Winiger-Candolfi
Carole Winiger-Candolfi ist Kinderärztin mit eigener Praxis in Luzern.
www.kinderarztpraxis-luzernsued.ch
Die Wespe:
Viel mehr als nur ein Plagegeist
- In der Schweiz leben etwa 25 verschiedene gelb-schwarze Wespen . Sie alle haben einen Giftstachel, aber nur die Stiche zweier Arten können uns Menschen gefährlich werden: jene der Deutschen Wespe und der Gewöhnlichen Wespe.
- Die Deutsche Wespe und die Gewöhnliche Wespe bauen ihre Nester gut versteckt, zum Beispiel in einem Erdloch oder in einem Rollladenkasten. Bei den weiteren, ungefährlichen Wespenarten ist das anders: Ihre Nester sind entweder sichtbare Kugeln oder flache Waben, die man unbesorgt hängen lassen kann.
- Das Zvieri im Garten wird von Wespen gestört? Unbedingt Ruhe bewahren. Vielleicht lassen sich die Insekten mit Wasser aus einer Sprühflasche vertreiben. Wenn nicht, heisst der beste Rat: Rückzug. Das Zvieri schmeckt auch drinnen gut.
- Wespen stechen nur, wenn sie sich bedroht fühlen oder wenn ihr Nest angegriffen wird. Sie können, anders als Bienen, mehrmals stechen – allerdings nur die Weibchen. Die Männchen haben keinen Stachel.
- Die Welt braucht Wespen. Sie fressen Insekten, darunter auch Schädlinge, helfen mit bei der Bestäubung und dienen selbst als Nahrungsgrundlage für andere Insekten und für Vögel.
- Ein Wespenvolk wird im Frühling von einer einzigen befruchteten Königin gegründet. Sie beginnt, ein Nest zu bauen, und legt Eier, aus denen Larven schlüpfen. Die Weibchen werden zu Arbeiterinnen und übernehmen die Brutfürsorge. Das heisst, sie fliegen aus und besorgen Nektar, also Nahrung für die Larven.
- Im Herbst stirbt das ganze Wespenvolk – ausser die befruchteten Jungköniginnen. Sie überwintern in einem Unterschlupf und gründen im drauffolgenden Frühling einen neuen Staat. Das schafft allerdings nur jede zehnte.
Diese Liste entstand in Zusammenarbeit mit Insektenforscher Hannes Baur vom Naturhistorischen Museum Bern. Für ihn sind Wespen keine Spielverderber, sondern vor allem faszinierende Lebewesen.