Was sind die Beweggründe sich vegan zu ernähren?
Viele Menschen entscheiden sich aus ethischen Gründen für eine vegetarische oder vegane Ernährung. Sie lehnen das Töten von Tieren für den menschlichen Verzehr ab und setzen sich für deren Rechte ein. Auch ökologische Überlegungen spielen eine Rolle bei dieser Entscheidung. Eine pflanzliche Ernährung kann den ökologischen Fussabdruck reduzieren und die Umwelt schonen. Ebenso verzichten viele aus gesundheitlichen Gründen auf Fleisch, da eine pflanzliche Ernährung gesundheitliche Vorteile mit sich bringen kann. Nicht zuletzt sind persönliche Vorlieben ausschlaggebend: Manche Menschen mögen schlicht den Geschmack, die Textur oder den Geruch von Fleisch nicht.
Welche positiven Einflüsse hat die vegane Ernährung auf die Gesundheit?
In Beobachtungsstudien erkannte man, dass viele Krankheitsrisiken durch die vermehrte Einnahme von Vollkornprodukten, Gemüse und Früchten gesenkt wurden. Dazu gehören beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes mellitus Typ 2. Andere Studien haben gezeigt, dass das Risiko für bestimmte Krebsarten (z.B. Kolon- und Rektal-Karzinome) mit einer erhöhten Aufnahme von rotem Fleisch und Fleischerzeugnissen korreliert.
Das ist ein grosser Effekt.
Ja – mit einem kleinen «Aber». Menschen, die sich für vegane oder vegetarische Ernährungsformen entscheiden, sind häufig Nichtraucher*innen, haben einen geringen Alkoholkonsum oder sind sportlich. Der alleinige Effekt der veganen/vegetarischen Ernährung auf die Gesundheit lässt sich demnach nicht eindeutig nachweisen. Es ist vielmehr ein Zusammenspiel von gesunden Lebensstilfaktoren.
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«Es ist wichtig, sich ein fundiertes Verständnis für die notwendigen Nährstoffe und deren Quellen anzueignen.»
Steigt durch das Weglassen von tierischen Produkten nicht das Risiko von Mangelerscheinungen?
Eine vegane Ernährung ohne Mängel ist grundsätzlich möglich. Das Risiko, einen Mangel an Makro- und/oder Mikronährstoffen zu entwickeln, ist jedoch erhöht. Besonders dann, wenn nur unzureichende Kenntnisse über eine ausgewogene vegane Ernährung vorhanden sind. Es ist wichtig, sich ein fundiertes Verständnis für die notwendigen Nährstoffe und deren Quellen anzueignen. Denn ein Mangel an wichtigen Nährstoffen wie Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen kann gesundheitliche Probleme verursachen.
Wie beugen Veganer*innen einem Nährstoff-Mangel vor?
Zu Beginn einer veganen Ernährung ist eine Ernährungsberatung durch eine qualifizierte Fachperson ratsam. Diese Beratung kann über die Grundversicherung abgerechnet werden, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt. So kann das Wissen erweitert und die in einer veganen Ernährung wichtigen Makro- wie Mikronährstoffe thematisiert werden. Auch regelmässige ärztliche Kontrollen sind empfohlen. Wird dabei ein Nährstoffmangel bestätigt, sollte der fehlende Nährstoff gezielt substituiert werden. Bei wiederkehrenden Mängel ist eine oder mehrere Folgeberatungen bei einem*r Ernährungsberater*in empfohlen.
Das Vitamin B12 ist in rein pflanzlichen Lebensmitteln nicht ausreichend vorhanden. Wie kann der Bedarf dennoch gedeckt werden?
Veganer*innen müssen B12 immer supplementieren und regelmässig ärztlich prüfen lassen, um Mangelerscheinungen zu vermeiden. Das Vitamin ist äusserst wichtig für unsere Gesundheit, da es in verschiedenen Prozessen im Körper mitspielt. Zum Beispiel bei der Zellteilung und beim Zellwachstum, bei der Bildung von roten Blutkörperchen wie auch für ein reibungslos funktionierendes Nervensystem.
Wann raten Sie von einer veganen Ernährung ab?
In Wachstumsphasen wie während einer Schwangerschaft und im Kindesalter raten Expert*innen von einer veganen Ernährung ab. Für Personen, die sich in einer solchen Phase dennoch vegan ernähren möchte, ist es essenziell, den erhöhten Nährstoffbedarf zu decken, um die gesunde Entwicklung des Kindes nicht zu gefährden. Eine Ernährungsberatung durch eine qualifizierte Fachperson sowie regelmässige Laborkontrollen des Blutes sind dringend empfohlen.
Wichtige Nährstoffe bei einer veganen Ernährung
Ob Vegetarier*in, Veganer*in oder Allesesser*in: Auf Dauer ist nur eine ausgewogene und frische Ernährung gesund. Mit folgenden Nährstoffquellen balancieren Sie die rein pflanzliche Kost optimal aus und minimieren das Risiko eines Nährstoffmangels.
Proteine sind unter anderem wichtig für den Aufbau wie auch für den Erhalt der Muskulatur, für die Zellerneuerung und für eine gute Immunabwehr. Wichtige pflanzliche Proteinquellen sind Tofu, Quorn, Seitan, Tempeh und Hülsenfrüchte. Die Proteinqualität dieser Quellen ist jedoch geringer als die von tierischen Proteinen. Um eine gute Proteinqualität zu erreichen, sollten pflanzliche Proteinquellen mit Kohlenhydratquellen kombiniert werden, zum Beispiel Hülsenfrüchte mit Brot, Mais oder Reis.
Omega-3-Fettsäuren können vom Körper selbst nicht hergestellt werden und müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Um Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren in die vegane Ernährung zu integrieren, sollten Raps-, Lein-, Walnussöl, Walnüsse und Algenextrakte verwendet werden.
Das Vitamin D ist wichtig für die Knochenbildung, Muskelstärkung und wird bei weiteren Stoffwechselvorgängen benötigt. Für eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D sollten mit Vitamin D angereicherte Margarine oder Pflanzendrinks bevorzugt werden. Einige Speisepilze enthalten ebenfalls grössere Mengen Vitamin D, wobei die Menge jedoch schwanken kann. Im Sommer kann Vitamin D auch über die Haut produziert werden, wenn diese der Sonne ausgesetzt ist. Dies sollte jedoch ohne Sonnencreme geschehen, was das Risiko für Sonnenbrand erhöht. Die körpereigene Vitamin-D-Produktion schwankt je nach Alter, Hauttyp, Witterung und Tageszeit individuell.
Calcium ist ein wichtiger Baustoff von Knochen und Zähne und wird benötigt, damit das Nervensystem und die Muskulatur einwandfrei funktionieren können. Um einen Calciummangel vorzubeugen, sollten angereicherte Nahrungsmittel wie Pflanzendrinks und calciumreiches Mineralwasser (mehr als 300 mg/l) verwendet werden. Auch grüne Gemüse enthalten grössere Mengen an Calcium und sollten regelmässig in den Speiseplan aufgenommen werden.
Maria Keel, BSc BFH in Ernährung und Diätetik, ist Co-Leiterin der Ernährungstherapie und Diabetesfachberatung an der Klinik Hirslanden Zürich.