Das Vergnügen im Schnee könnte so schön sein. Entsprechend gross ist meistens auch die Euphorie während der Gondelfahrt. Am Zauberteppich angekommen, landet so manch Elternteil aber wieder auf dem Boden der Tatsachen. Die Nerven liegen bereits nach der ersten Abfahrt blank und über die rosa Kinderbäckchen kullern dicke Tränen. Abenteuer «Skifahren» abbrechen? Auf keinen Fall: Unser Experte Roland Haberthür leitet die Skischule bei den Grüsch-Danusa Bergbahnen und weiss, worauf es ankommt.
«Pizzaaa! Pizza machen! Pizzaaa! Hände auf die Knie!», rufen die Skilehrer von Grüsch-Danusa (GR) im Akkord. Im Kinderland herrscht gerade wieder reges Treiben. Kindergärtner sind eingetroffen, die ihr Klassenzimmer für eine Woche mit der Skipiste tauschen. Für viele Mamis und Papis ein Segen. Denn für sie bedeutet die Kindergartenskiwoche, dass ihre Kinder nun vom Profi das Skifahren lernen – und ihnen selbst somit manch graues Haar erspart bleibt.
Nicht zu früh starten
«Viele Eltern wollen zu früh zu viel. Ab dem vierten Lebensjahr sind die Kinder bereit, um mit dem Skifahren zu beginnen. Davor ist die kindliche Muskulatur meistens einfach noch nicht bereit und es fehlt an Kraft», sagt Roland Haberthür. Der Trend zeige aber, dass die Eltern ihre Kinder immer früher in den Skiunterricht schicken wollen – bereits mit zweieinhalb Jahren. Auf dieses Bedürfnis geht die Skischule entsprechend ein. «Man switcht dann zwischen Skilehrer und Kita-Betreuer», lacht Roland. Bevor gleich eine ganze Woche Skiunterricht gebucht und bezahlt wird, empfiehlt Roland jedoch erstmal eine Schnupperstunde abzumachen. So merke man schnell, ob das Kind wirklich schon bereit fürs Skifahren ist und vor allem, ob es Freude daran hat. «Bleibt der Spass aus, wartet man besser auf die nächste Saison», meint Roland. Mit dem Snowboarden sollte man übrigens noch länger warten. Roland empfiehlt die ersten Versuche auf dem Board erst ab dem achten Lebensjahr. Erst dann kann ein Kind die nötige Körperspannung aufbringen.
Skischule oder selbst beibringen?
Ob ein Kind in der Skischule das Skifahren lernt oder ob es von den Eltern lernt, ist sehr individuell. Doch wer kennt es nicht: Auswärts schmeckt den Kleinen sogar der Spinat, der zu Hause lediglich einen missbilligen Blick erhält. Ähnlich verhält es sich beim Skifahren lernen. Dem Skilehrer hören die Kinder besser und konzentrierter zu. Ausserdem erlernen sie von Anfang an die richtige Technik – und erzielen dadurch viel schneller Fortschritte. «Die Eltern, die ihre Kinder in der Skischule abgeben, nutzen die freie Zeit meistens für einen Spaziergang im Schnee oder eine Kaffeepause in der Sonne», führt Roland aus. «Eine Win-Win-Situation für alle.» Ausserdem lernen die Kinder in der Skischule meistens in der Gruppe. Da komme der Spass noch stärker zum Vorschein und der Nachahmeffekt sei gross. Heisst, wenn einer sich über ein Hindernis traut, geht die andere gleich nach. Roland verrät noch ein kleines Geheimnis: «Obwohl ich Skilehrer bin, hat meine Tochter das Skifahren nicht von mir gelernt. Meinen Kollegen hat sie einfach besser zugehört. Und meine Geduld ihr gegenüber war wohl auch kleiner, als wenn ich fremde Skischüler unterrichte.»
Roland Haberthürs Tipps für die ersten Versuche auf den Ski
- Zwiebellook
Eltern, die keinen Bezug zum Skifahren haben, ziehen ihre Kinder tendenziell zu warm an. Kleiden Sie Ihr Kind also so, dass eine Schicht auch ausgezogen werden könnte. - Die richtige Ausrüstung
Dieser Punkt ist entscheidend: Die Ski müssen die richtige Länge und die Skischuhe genügend Platz haben. Lassen Sie sich in einem Sportgeschäft beraten. «Rutscherli» sind lediglich für die ersten Erfahrungen geeignet, jedoch nicht für die Skischule. Und: Die Ausrüstung zu kaufen, lohnt sich bei Kindern, die noch im Wachstum sind, nicht. Mieten ist somit die günstigere Variante. Im Rent-Center von Grüsch-Danusa können sogar während des Winters die Ski oder Skischuhe ohne Aufpreis gewechselt werden, wenn die Grösse nicht mehr passt. - Mit gutem Beispiel voran
Es ist ein absolutes «No-Go», die Kinder ohne Helm auf die Piste zu lassen. Auch gute Handschuhe sind zwingend. Denn die Skikanten bergen eine hohe Verletzungsgefahr. Als Eltern nehmen Sie auch auf der Piste eine Vorbildfunktion ein. Heisst, der Helm darf auch auf Ihrem Kopf nicht fehlen. - Fit sein
Skifahren braucht viel Kraft – unterschätzen Sie dies nicht. Achten Sie deshalb darauf, dass Ihr Kind in einer guten körperlichen Verfassung ist. - Erst laufen, dann fahren
Hört sich komisch an, wird Ihnen aber einiges erleichtern. Lassen Sie Ihr Kind auf den Ski in der Ebene erst etwas «rumlaufen». Es merkt dabei, wie es sich anfühlt auf den zwei Brettern zu stehen. Dann folgen erste Aufwärtsbewegungen mit dem Scheren- oder Seitwärtsschritt. Ihr Kind lernt so, sich selbstständig fortzubewegen – ohne, dass Sie es ständig «rumstossen» müssen. Spätestens auf dem Zauberteppich ist dies für Sie und Ihr Kind sehr hilfreich. - Kontrolliertes fahren
Das bedeutet, dass Ihr Kind jederzeit fähig ist, zu bremsen. Dafür muss es wissen, wie es den Stemmbogen macht. Oder wie man es eben heute nennt: Pizza machen. Auch die richtige Position ist wichtig. Dafür legt ihr Kind am besten die Hände auf die Knie – automatisch neigt es sich so leicht nach vorne. - Erwarten Sie nicht zu viel
Die meisten Kinder haben bei den ersten Versuchen nach ein bis zwei Stunden genug. Lassen Sie es dann auch gut sein und überfordern Sie Ihr Kind nicht. Verlassen Sie das Kinderland erst, wenn sich Ihr Kind sicher fühlt auf den Ski und wirklich bremsen kann. Erst dann macht ein Versuch auf einer blauen Piste Sinn – und Spass. - Motivation ist alles
Lob tut gut! Gerade auf der Piste. Loben Sie Ihr Kind also fleissig. Nach einer Abfahrt gehört ein High-Five oder die Ghetto-Faust dazu. Wenn der Müdigkeitseinbruch kommt oder die Laune in den Keller fällt: Ein Gummibärli oder ein Schöggeli bewirkt an dieser Stelle Wunder und löst einen erneuten Motivationsschub aus. Nehmen Sie auch kleine Pixi-Büchlein mit. Diese können am Pistenrand während einer kleinen Pause angeschaut werden und für eine Abwechslung sorgen. - Auf Schwierigkeiten hinweisen
Ja, es ist möglich, dass Ihr Kind hinfällt. Ja, es ist möglich, dass Ihr Kind vom Schlepplift fällt. Wir Eltern wissen das, Ihr Kind jedoch (noch) nicht. Weisen Sie es daher gleich zu Beginn darauf hin und erklären Sie, was in solchen Situationen zu tun ist. Wichtig: Fahren Sie am Schlepplift immer hinter Ihrem Kind, damit Sie gleich eingreifen und helfen können. Auf der Piste gilt das Gegenteil. Da fahren Sie voraus, damit Ihr Kind Ihnen nachfahren kann. Nach negativen Erlebnissen gehen die Kinder vielfach ein paar Schritte zurück. Nehmen Sie Ihrem Kind dann die Angst und versuchen Sie es gleich nochmal, um neue, positive Erlebnisse zu schaffen.
Roland Haberthür: Von der Bank auf die Skipiste
Der Basler Roland Haberthür arbeitet seit vier Jahren als Skilehrer und leitet die Skischule der Bergbahnen Grüsch-Danusa AG. Davor war er als Filialleiter einer Bank tätig. Ob auf der Piste oder auf der Bank: Das Vertrauen der Kundschaft ist in beiden Berufen entscheidend. Gerade das spornt Roland auch an. Seine Frau konnte Roland jedoch noch nicht fürs Skifahren begeistern. Sie arbeitet als Kinderärztin – was ihre Zurückhaltung wohl erklären mag.