Ein bekanntes deutsches Rennradmagazin verglich das Appenzeller Vorderland mit der Toskana. Die Gemeinsamkeiten sind nicht offensichtlich – jedenfalls nicht, wenn es ums Klima oder das Essen geht. Wer sich allerdings eingehend mit der Topografie auseinandersetzt, merkt schnell, dass der Vergleich nicht komplett hinkt.
Schier endlose Tourenmöglichkeiten
Eine sanfte Hügellandschaft, landwirtschaftlich geprägte Streusiedlungen und ein weit verzweigtes Netz besonders verkehrsarmer, asphaltierter Nebenstrassen sowie Schotterstrassen, die für motorisierte Fahrzeuge mit einem Fahrverbot belegt sind – diese Beschreibung trifft sowohl auf die Toskana als auch auf das Appenzeller Vorderland zu. Eins hat die Ostschweizer Region dem italienischen Pendant allerdings voraus, was sie für Radfahrende geradezu prädestiniert: eine perfekte Anbindung an den öffentlichen Verkehr.
Zum Start- und Zielort Altstätten gelangt man sehr entspannt mit dem Interregio-Zug. Nicht nur praktisch – weil man sich elegant 500 Höhenmeter ersparen kann – sondern auch besonders aussichtsreich ist die Fahrt vom historischen Marktstädtchen Altstätten hinauf zum Stoss, wo sich im Jahr 1405 die Habsburger und die Appenzeller mit Schwertern, Morgensternen und Mistgabeln eine Schlacht lieferten. Swiss Cycling Guide Kurt Ladner hat allerdings anderes vor: Auf einer verkehrsfreien Forststrasse führt er uns über Schwarzenwald auf den Hohen Hirschberg, wo nicht nur das Postkartenpanorama des Alpsteinmassivs wartet, sondern auch der erste Kaffee im gleichnamigen Restaurant.
Restaurant- und Gipfelparade
Natürlich ist die Crema auf dem Kaffee nicht zu vergleichen mit dem italienischen Pendant. «Aber es gibt Alternativen», verspricht Kurt und weist darauf hin, dass auf jedem Hügel links und rechts der Radstrecke ein weiteres gemütliches Bergrestaurant einen kurzen Abstecher lohnen würde. So zum Beispiel der Sommersberg, Gäbris und St. Anton. Dazwischen liegen Asphalt- und Schotterstrassen, auf denen das Gravel-Bike seine Stärken ausspielen kann: geringes Gewicht und Rollwiderstand für einen erleichterten Aufstieg, hoher Komfort und Robustheit, um auf jedem Untergrund zu bestehen, der sich auf dieser Gravel-Runde in munterer Folge abwechselt. Auf Asphalt geht es zum aussichtsreichen St. Anton hoch, auf Schotterstrasse nach Oberegg hinab und auf einem Wanderweg dem idyllischen Klusbach entlang, der mit zahlreichen herrlichen Gumpen zum Baden einlädt, wenn es die Temperaturen zulassen. Gut nur, dass die nachfolgende Strecke Richtung Walzenhausen über Asphaltstrasse verläuft, sodass der Untergrund nicht die volle Aufmerksamkeit erfordert, denn von hier oben ist der Ausblick über den Bodensee und das Rheindelta schlicht überwältigend.
Rheinfahrt mit Höchsttempo
Durch die ausgedehnten Rebberge des bedeutendsten St. Galler Winzerdorfs Berneck rollen wir temporeich ins Rheintal hinab. Mit Genugtuung nimmt Swiss Cycling Guide Kurt Ladner zur Kenntnis, dass einer der bekanntesten «Rheintaler» heute abwesend ist – der Föhn. Mit weit über 100 Kilometern pro Stunde bläst der Wind an manchen Tagen in Richtung Bodensee und lässt Radfahrende gegen eine unsichtbare Wand anfahren. Heute aber drückt die Gruppe aufs (Gas)pedal und fliegt förmlich über den letzten, flachen Streckenabschnitt, der über das Rheinvorland nach Kriessern und schliesslich zum Start- und Zielort zurückführt. Bei der Ortstafel von Altstätten zieht Kurt Ladner zum lang gezogenen Schlusssprint an. Und er denkt dabei vielleicht an den legendären Sprinter Mario Cipollini, der in seiner Heimat Lucca/Toskana, ebenfalls beste Trainingsvoraussetzungen vorfand.
Gravelbiken – neue Erfahrung
Das Gravel-Bike ist das vielleicht vielseitigste aller Zweiräder. Swiss Cycling Guide und ÖKK Botschafter Kurt Ladner erklärt, wie man sich auf eine Tour mit dem Gravel-Bike vorbereitet:
- Egal, wohin die Tour führt und wie lange sie dauert, einige Dinge gehören immer in die Hüft- oder Satteltasche: Multifunktions-Werkzeug, leistungsfähige Pumpe, Ersatzschlauch, Pneuhebel, Windjacke, Erste-Hilfe-Kit.
- Die Sicherheitsausrüstung ist Pflicht: Fahrradhelm, Brille, Handschuhe.
- Mit dem Gravel-Bike gibt es hinsichtlich Streckenwahl kaum Einschränkungen. Es lohnt sich deshalb, bei der Routenplanung immer auch Alternativen zu prüfen, durch die man nach Lust und Laune die Tour abkürzen oder verlängern kann.
- In der Planung den Energiehaushalt berücksichtigen: Wo kann ich Wasser nachfüllen? Gibt es unterwegs Einkehrmöglichkeiten oder muss ich das Essen mitnehmen? Es gilt Reserven einzuplanen.
Gravel-Bike-Tour: Appenzeller Vorderland
- Distanz: 68,6 km
- Höhenmeter: 1690 m
- Minimale Höhe: 400 m
- Maximale Höhe: 1690 m
- Kondition: 4 (von 5)
- Schwierigkeit: 2 (von 5)
Laden Sie jetzt das GPX-File für diese Tour auf Ihr GPS-Gerät herunter. Wenn Sie über keinen Fahrradcomputer oder Smartwatch verfügen, gibt es zahlreiche Apps für Ihr Handy (zum Beispiel swisstopo, Komoot oder Outdoor Active).