Krämpfe, Kopfschmerzen, Blähungen: Regelschmerzen sind unangenehm, aber kein Grund zur Beunruhigung. Anders, wenn die Beschwerden so stark sind, dass sie den Alltag der betroffenen Frau behindern: Dann ist ein Besuch bei der Gynäkologin angebracht. Denn, so weiss Sara Imboden, Leitende Ärztin am Inselspital Bern: Erstaunlich häufig liegt den starken Schmerzen eine Krankheit zugrunde.
Sara Imboden, Sie als Gynäkologin sind gewiss eine Menstruations-Expertin.
Sollten wir das nicht alle sein? Immerhin menstruiert die Hälfte der Menschheit früher oder später. Das Thema müsste allen geläufig sein – ist es aber nicht. Im Gegenteil: Die Mens ist in der Schweiz ein Tabu. Und ich staune immer wieder, wie wenig Frauen und Männer über die Monatsblutung wissen.
Dann fangen wir vorne an: Was geschieht während der Mens?
Im Laufe des weiblichen Zyklus baut sich die Schleimhaut in der Gebärmutter auf, damit sich bei einer Befruchtung die Eizelle einnisten kann. Ohne Befruchtung löst sich die oberste Schicht der Schleimhaut ab und wird von der Gebärmutter – notabene ein Muskel – abgestossen. Das ist ziemlich harte Arbeit; die Gebärmutter muss sich immer und immer wieder zusammenziehen. Diese Kontraktion spüren viele Frauen als Ziehen im Unterleib.
Welche Beschwerden können auch noch auftreten?
Manche Frauen spüren Stimmungsschwankungen; sie kommen von den Hormonen, die während des Zyklus abfallen und ansteigen. Auch Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Blähungen können auftreten – die Symptome sind verschieden. Manche Frauen haben etwa eine Woche lang vor der Menstruation Beschwerden, die dann mit dem Eintreten der Blutung stoppen. Das ist das PMS, also das prämenstruelle Syndrom.
Was bringt bei Regelschmerzen Linderung?
Wärme auflegen, Ablenkung und allenfalls Sport treiben. Auch Transkutane Elektroneurostimulation kann helfen und natürlich ein Schmerzmittel. Oder man geht einen Schritt weiter und nimmt die Antibabypille ohne Pause. Wichtig sind hier zwei Punkte. Erstens, jede Betroffene muss für sich herausfinden, wann genau sie was gegen die Schmerzen tun kann. Einigen Frauen zum Beispiel hilft, gleich beim ersten Ziehen ein Schmerzmittel zu nehmen.
Und zweitens?
Die Schmerzen müssen behandelt werden. Ansonsten riskiert man eine sogenannte Chronifizierung der Schmerzen, was zu überreizten Nervenfasern führt. Leichter Schmerz fühlt sich dann an wie heftiger Schmerz.
Wann ist eine Untersuchung bei der Gynäkologin angebracht?
Ein Unwohlsein gehört zur Mens. Starke Schmerzen aber nicht. Wenn die Schmerzen den Alltag einer Frau einschränken, sie zum Beispiel nicht am Turnunterricht teilnehmen kann oder Termine absagen muss, dann sollte sie dringend eine Fachperson aufsuchen.
Weil eine Krankheit der Grund für die Schmerzen sein könnte?
Genau. Die häufigste ist Endometriose [siehe Abschnitt «Verirrt im Bauch», Anm. d. Red.]. Weltweit sind fast zehn Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter davon betroffen. Leider ist die Krankheit unterdiagnostiziert.
Warum?
Es ist selbst für eine Fachperson nicht ganz einfach, eine Endometriose zu erkennen. Der Hauptgrund aber ist: Die meisten Frauen wissen nicht, dass es die Krankheit überhaupt gibt. Sie meinen, ihre starken Schmerzen seien «normal». Darum besuchen wir im Rahmen des Projekts «Endo Teach» Schulklassen und sprechen über den weiblichen Zyklus und Endometriose.
Es wird also doch über die Mens gesprochen!
Es sind kleine, aber wichtige Schritte. Irgendwann plaudern wir hoffentlich so unbeschwert über die Mens wie über das Wetter.
Sara Imboden
Sara Imboden (43) ist Leitende Ärztin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde des Inselspitals Bern und Stv. Leiterin des SEF zertifizierten Endometriosezentrums.
Verirrt im Bauch
Bei einer Endometriose lagern sich Teile der Gebärmutterschleimhaut im Bauchraum ab. Sie schwellen während des Zyklus an und bluten während der Menstruation – analog der Schleimhaut in der Gebärmutterhöhle. Nur: Weil das Blut nicht abfliessen kann, kommt es häufig zu Entzündungen und Zysten. Endometriose ist weder ansteckend noch tödlich. Sie ist eine der häufigsten Unterleibkrankheiten und kann behandelt werden.
Der weibliche Zyklus
Die Menstruation dauert zwischen drei bis sieben Tage.
Eine Frau menstruiert durchschnittlich 450-mal im Leben.
Die erste Menstruation einer Frau wird Menarche genannt. Mädchen in der Schweiz bekommen sie mit durchschnittlich zwölf Jahren.
Während einer Mens verliert eine Frau vier bis zwölf Esslöffel – ganz gewöhnliches – Blut.
Im Durchschnitt ist eine Frau 51 Jahre alt, wenn sie ihre letzte Menstruation hat.
Der weibliche Zyklus ist ein äusserst raffiniertes Zusammenspiel von Hormonen. Er dauert vom ersten Tag der Mens bis zum letzten Tag vor der nächsten Mens. Das sind meist zwischen 21 und 35 Tage. Der Zyklus umfasst drei Phasen:
Phase 1: Vor dem Eisprung
Kaum ist die Menstruation beendet, beginnt der Körper von Neuem mit den Vorbereitungen auf eine mögliche Schwangerschaft: Die Gebärmutterschleimhaut baut sich auf, damit sich eine Eizelle später einnisten kann. Gleichzeitig reifen in den Eierstöcken Eizellen heran. Eine dieser Eizellen ist dominant. Ihre Hülle, Follikel genannt, wächst besonders schnell heran.
Phase 2: Eisprung
Etwa in der Mitte des Zyklus kommt es zum Eisprung. Der dominante Follikel platzt und gibt seine Eizelle frei. Diese wird aus dem Eierstock über die Eileiter in Richtung Gebärmutter transportiert. Findet innert 24 Stunden keine Befruchtung statt, stirbt die Eizelle ab.
Phase 3: Nach dem Eisprung
Der Follikel der dominanten Eizelle wandelt sich in einen Gelbkörper. Dieser schüttet das Hormon Progesteron aus, worauf die Schleimhaut in der Eizelle noch dicker wird. Etwa am vierten Tag nach dem Eisprung ist die Schleimhaut für das Einnisten einer befruchteten Eizelle vorbereitet. Ohne Befruchtung stösst die Gebärmutter die Schleimhaut ab. Die Menstruation beginnt – und mit ihr ein neuer Zyklus.