Wir müssen uns vor Zecken schützen – keine Frage. Trotzdem sollten wir uns, laut Zeckenforscher Werner Tischhauser, frei in der Natur bewegen. Und dabei den Zecken sogar ein wenig Anerkennung schenken. Tischhauser sagt: «Was Zecken tun, tun sie richtig gut.»
Herr Tischhauser, warum gibt es immer mehr Zecken?
Die genauen Gründe kennen wir noch nicht. Was Zecken aber sicher mögen, ist die Klimaerwärmung. Früher galt zum Beispiel alles über 1500 Meter über Meer als zeckenfreie Zone. Inzwischen aber werden die Tiere auch in höheren Lagen gefunden. Wo es warm und feucht ist und genügend Wildtiere als Wirte leben, fühlen sich Zecken wohl. Kommt hinzu, dass die Menschen in den letzten Jahren wieder mehr Zeit in der Natur verbringen. Sie spielen Golf, machen Trailrunning, gehen wandern oder in die Pilze. Das führt zu mehr Kontakten zwischen Mensch und Zecke.
Was können wir tun?
Zecken leben seit Millionen von Jahren auf der Erde und plagten schon die Dinosaurier. Zecken grossflächig zu bekämpfen, ist unmöglich. Es gibt also nur zwei Möglichkeiten: Entweder, man verschliesst vor lauter Angst und Ekel die Augen und bricht in Panik aus, wenn einen so ein winziges Tier mal sticht, oder man informiert sich über Zecken und lernt, mit ihnen zu leben.
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«Für Naturliebhaber und Outdoor-Freaks sollte die abendliche Zeckenkontrolle zur Routine werden.»
Wie geht das?
Für Naturliebhaber und Outdoor-Freaks sollte die abendliche Zeckenkontrolle zur Routine werden. Sie ist der beste Schutz vor Borreliose, der verbreitetsten, durch Zecken übertragenen Infektionskrankheit. Auch geschlossene Kleidung ist ratsam. Nur eines sollten wir ganz bestimmt nicht tun: wegen Zecken nicht mehr in die Natur gehen.
Raus in die Natur – trotz gefährlicher Zecken?
Auf jeden Fall. Zumal Ängstliche ja stundenlang durch den Wald spazieren können. Sofern wir auf dem Kiesweg bleiben, droht keine Gefahr. Erst wer irgendwann hinter einen Baum pinkeln geht oder im Unterholz Pilze sucht, betritt das Revier von Zecken.
Was fasziniert Sie persönlich so sehr an Zecken?
Was Zecken tun, tun sie richtig gut. Wie sie herannahende Wirte erkennen, wie sie sich blitzschnell an ihm anhängen, zustechen und sich mit ihrem körpereigenen Zement festhalten – selbst dann noch, wenn sie vollgesogen sind und das 200-Fache ihres Ursprungsgewichts wiegen. Das ist, als würden wir plötzlich 16 Tonnen wiegen – und trotzdem würden wir uns noch tagelang irgendwo festhalten! Dieser Zeckenzement ist so leistungsstark, dass inzwischen sogar Unis an seiner Zusammensetzung forschen.
Der Zecken-Experte
Werner Tischhauser ist Umweltingenieur und Sprachrohr der Schweizer Zeckenprävention. Seit mehreren Jahren sammelt er in der Bevölkerung Meldungen über Zeckenstiche. Zudem bittet Werner Tischhauser Menschen mit Zeckenkontakt, «ihre» Zecke mit Klebestreifen auf eine Postkarte zu kleben und an das Borreliose-Referenzlabor in La Chaux-de-Fonds zu schicken. Dort dienen die eingesandten Tiere der Grundlagenforschung.
Informationen und Ratschläge bietet die kostenlose App «Zecke». Sie wurde von Werner Tischhauser, Jürg Grunder und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ZHAW entwickelt.