Eines Morgens hielt Rinaldo Brunett eine Zigarette in der Hand und sagte sich: Die noch, dann ist Schluss. Fünf Jahre vorher hatte er als 16-Jähriger mit dem Rauchen angefangen. Ein Päckli Zigis pro Tag rauchte er mittlerweile. Doch jetzt wollte er ein anderer Mensch werden. Einer, der nicht schon am Morgen überlegte, wann und wo er an diesem Tag eine Zigarette rauchen kann und wie viele Zigis noch im Päckli stecken. Der neue Rinaldo Brunett wollte frei sein – frei von der Sucht.
Auch Jan Koch erinnert sich gut an den Moment, der sein Leben veränderte. An jenem Morgen im vergangenen Februar schmerzte ihn beim Aufstehen schon wieder der ganze Körper. Die 107 Kilogramm Körpergewicht waren einfach zu viel für seinen 1,84 Meter grossen Körper. Er hatte Wasser in den Knien, litt unter Verspannungen, schlief unruhig. Wie satt Jan Koch die Beschwerden hatte! Er musste sich entscheiden: Weitermachen wie bisher und in einigen Jahren 120 Kilogramm wiegen? Oder die Notbremse ziehen und ab sofort gesünder essen und Sport machen? Der Unternehmer aus Igis entschied sich für den zweiten Weg. Das Zielgewicht auf der Waage: 80 Kilogramm.
Hochsaison für gute Vorsätze
Das Steuer herumreissen, sich Ziele stecken, von einem besseren Leben träumen: Dafür ist jeder Tag ein guter Tag. Nie aber werden mehr Vorsätze gefasst als zum Jahreswechsel. Frank Wieber, Gesundheitswissenschaftler und Verhaltenspsychologe, sagt zu diesem Phänomen: «Oft warten wir auf einen Anlass wie einen Jahreswechsel oder einen Geburtstag, um Änderungen unseres Verhaltens zu wagen.» Das zeichnet sich im Kleinen auch schon bei den
Google-Suchanfragen zum Thema Rauchstopp ab: Sie sind montagmorgens merklich zahlreicher als freitagabends. Zu den beliebtesten Vorsätzen gehören laut Umfragen «mehr Sport treiben», «sich gesünder ernähren», «Partnerschaft pflegen», «weniger Stress» und «mehr Zeit für Freunde».
Überall Versuchungen
Mit Vorsätzen allein ist es jedoch nicht getan. Der Teufel steckt in der Umsetzung. Der damals übergewichtige Jan Koch erinnert sich: «Die ersten Wochen nach meinem Entschluss waren hart; überall lauerten Versuchungen: Gummibärchen und vor allem Süssgetränke zogen mich magisch an.»
Auch Rinaldo Brunett hatte zu kämpfen. Der Qualm seiner finalen Zigarette war kaum verzogen, da begannen als Folge der Nikotinsucht die Entzugserscheinungen: zittrige Hände, schmerzender Kopf und schlaflose Nächte. «Ich war zigmal kurz davor, eine Zigarette anzuzünden und meine guten Vorsätze zu begraben, so, wie ich sie schon dreimal zuvor begraben hatte», erzählt der Treuhänder aus dem Zürcher Oberland.
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«Ich war zigmal kurz davor, eine Zigarette anzuzünden und meine guten Vorsätze zu begraben.»
Rückfall? Normalfall!
Rückfälle sind eher die Regel als die Ausnahme, wenn es um gute Vorsätze geht. Das hat vor über 100 Jahren schon der Schriftsteller Mark Twain erfahren. Er schrieb: «Mit dem Rauchen aufzuhören, ist kinderleicht. Ich habe es schon hundertmal geschafft.»
«Oft braucht es mehr als einen Anlauf, um das eigene Verhalten zu ändern», sagt Frank Wieber. «Wichtig ist, nach dem Scheitern zeitnah den Vorsatz wieder ernst zu nehmen und nicht bis zum nächsten Jahreswechsel oder Geburtstag damit zu warten.» Statt sich über das Scheitern zu ärgern, solle man sich für den nächsten Anlauf stärken und gewisse Fragen klären: Warum ist es so gekommen? War das Ziel zu hochgesteckt? Entsprach es einem Trend, nicht aber den eigenen
Bedürfnissen?
Mit Tricks zum Erfolg
Rinaldo Brunett schaffte es, die Finger von Zigaretten zu lassen. Wurde die Verlockung zu gross, sagte er sich: «Wenn ich jetzt eine rauche, war der ganze Kampf umsonst.» Brenzlig wurde es vor allem im Ausgang. Da kam Rinaldo Brunett die Idee, seine Freunde mit ins Boot zu holen. «Ich bat sie, auf mich aufzupassen und mich vom Rauchen abzuhalten», so Rinaldo Brunett.
Auch Jan Koch brauchte clevere Ideen, um auf Kurs zu bleiben. Seit dem Start als selbstständiger IT-Unternehmer vor sieben Jahren hatte er gegessen, wonach ihm der Sinn stand. Mal ass er im Auto, mal am Bürotisch, mal mit Kunden in aller Üppigkeit. Kalorien? Darum scherte sich der Informatiker nicht. Sport? Keine Zeit!
Rüebli statt Gummibärchen
Wie sollten mit diesen Gewohnheiten die Pfunde purzeln? Jan Koch musste sein Leben umkrempeln – und zwar komplett. Als Erstes begann er, seine Mahlzeiten zu planen. Was kommt auf den Tisch? Und wann findet die Hauptmahlzeit statt? Erstmals seit sieben Jahren studierte er Kalorientabellen, kaufte selber ein und begann, regelmässig zu kochen. Die
geliebten Gummibärchen waren jetzt tabu. Um trotzdem etwas knabbern zu können, rüstete Jan Koch jeden Morgen einen Sack Rüebli und stellte sie griffbereit in den Kühlschrank.
Die Ernährungsumstellung zeigte Wirkung. Mit jedem Kilogramm weniger fühlte sich der Unternehmer besser. Er bewegte sich mehr im Alltag. Die zwei Etagen in sein Büro überwand er zu Fuss statt mit dem Lift. Freunde besuchte er mit dem E-Bike statt mit dem Auto. Die körperlichen Beschwerden verschwanden ganz, sodass bald Touren auf dem Rennvelo und Joggingrunden drinlagen. «Das war ein unglaubliches Gefühl», erinnert sich Jan Koch.
Das neue Leben
Der neue Jan Koch wiegt heute 80 Kilogramm. Sein Leben ist ein anderes als noch vor einem Jahr. Er lädt Freunde ein und bekocht sie. Und selbst wenn es mal später wird, ist Jan Koch am nächsten Morgen um 8.00 Uhr wieder auf den Beinen. «Früher verbrachte ich Sonntag für Sonntag auf der Couch», sagt Jan Koch. «Heute muss ich raus und etwas unternehmen,
sonst werde ich hibbelig.»
Auch Rinaldo Brunett, heute 31, hat es geschafft und ist Nichtraucher. Mehr noch: Sein Lebenswandel hat ihn zum leidenschaftlichen Sportler gemacht («Wie konnte ich je ohne Sport leben?»), zum Gourmet («Unglaublich, wie intensiv das Essen als Nichtraucher schmeckt!») und zum Kämpfer. Rinaldo Brunett: «Auf dem Weg zum Nichtraucher habe ich meine Willenskraft entdeckt und gelernt, mich durchzubeissen»
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Experteninterview mit Dr. Julia Weber
Julia Weber, wie gelingen gute Vorsätze?
Hierzulande hält sich hartnäckig die Meinung, der Mensch sei ein Verstandeswesen. Damit gute Vorsätze gelingen, muss man aber wissen: Der Verstand ist ganz klein im Vergleich zu jenem System in unserem Gehirn, das unbewusst arbeitet. Dieses sogenannte Unbewusste ist viel einflussreicher als der Verstand.
Was bedeutet das für den Erfolg guter Vorsätze?
Oft denken wir, wenn wir etwas nur fest genug wollen, erreichen wir es auch. So ist es nicht. Wer nur mit dem Verstand seine Ziele definiert, hat höchstens für ein paar Wochen Erfolg. Fürs anhaltende Gelingen müssen Verstand und Unbewusstes das Ziel toll finden und mit an Bord sein.
Wie erreichen wir das?
Wir dürfen die Zeichen unseres Unbewussten nicht ignorieren. Ein spontanes Lächeln, ein diffuses Gefühl im Bauch, ein Kloss im Hals – das können Hinweise des Unbewussten sein, ob es mit einem Vorhaben einverstanden ist oder nicht. Diese Botschaften zu lesen, haben viele Menschen verlernt. Man kann das aber üben, zum Beispiel, indem man sich fragt: Wie fühlt sich mein Vorsatz an? Löst er positive oder negative Bilder in mir aus?
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«Unser Unbewusstes muss den Vorsatz gut finden.»
Beim beliebten Vorsatz «mehr Sport treiben» sind es wohl eher negative Bilder ...
Es ist zentral, beim Formulieren des Vorsatzes zu überprüfen, welche Bilder und Gefühle erzeugt werden. «Mehr Sport treiben» tönt für viele Menschen wenig lustvoll. Eine Alternative könnte sein: «Ich gönne mir zweimal pro Woche eine Auszeit, um mich so zu bewegen, wie es mir Spass macht.»
Wir sollen also nur auf das Unbewusste hören?
Bloss nicht! Das Unbewusste allein hat nicht immer recht, ebenso wenig wie der Verstand. Es gilt, beide Systeme ernst zu nehmen und miteinander zu synchronisieren, um so dauerhaft und lustvoll seine Ziele erreichen zu können.
Julia Weber
Dr. Julia Weber ist Geschäftsführerin des Instituts für Selbstmanagement und Motivation Zürich. www.ismz.ch