Wer sich erholt, bringt mehr Leistung. Im Interview sagt die zweifache MTB-Weltmeisterin Kathrin Stirnemann, warum es sich lohnt, die eigene Regeneration ernst zu nehmen.
Kathrin Stirnemann, warum ist Regeneration so wichtig?
Beim Training setzen wir in unserer Muskulatur Reize. Dabei gehen kurzfristig winzige Fasern kaputt. Der Wiederaufbau dieser Mikro-Risse – und somit der Fortschritt unserer Leistungsfähigkeit – geschieht während der Regeneration, nicht während des Trainings.
Bedeutet das: ohne Regeneration, kein Fortschritt?
Kurzfristig funktioniert unser Körper auch ohne Regeneration. Langfristig aber nimmt er Schaden. Wenn wir nur fordern und nie etwas zurückgeben, rächt sich das. Wir sind chronisch müde und erschöpft und können unsere optimale Leistung nicht mehr abrufen. Unser sportlicher Fortschritt stagniert.
Und wie fühlt es sich an, wenn die Regeneration stimmt?
Wir fühlen uns vital, sind motiviert und jeden Tag parat für Bestleistungen.
Sind diese Vorteile unter Leistungs-Sportlerinnen und -Sportlern bekannt?
Die Wichtigkeit der Regeneration ist wissenschaftlich längst erwiesen. Und dennoch vernachlässigen selbst Profis oft die Erholung. Anderes hat Priorität, zum Beispiel das Training oder der Nebenjob. Aber eigentlich ist es so: Wer Profi ist, soll nicht nur mehr Zeit ins Training investieren, sondern auch in die Regeneration.
Ist die bewusste Erholung nur ein Thema im Spitzensport?
Nein, auch Hobby-Sportlerinnen und -Sportler müssen sich zwischen den Trainingseinheiten Erholung gönnen. Nehmen wir als Beispiel jemanden, der einmal pro Woche joggt. Wenn er nach dem Training lediglich einen Salat isst, füllt sich sein Speicher nicht ganz. Die Folge: Tags darauf wird er sich müde fühlen und keine Lust auf Sport haben.
Wie lange und wie oft soll eine Regeneration sein?
Das lässt sich nicht generell sagen. Beides hängt ab von Alter und Fitness der betroffenen Person sowie von der Intensität und Häufigkeit des Trainings. Je älter die Person, je häufiger und intensiver die Belastung, desto wichtiger ist die Regeneration.
Was gehört alles zur Regeneration?
Erstens: ausreichend Schlaf, etwa acht bis zehn Stunden. Zweitens: gesunde Ernährung, ausgewogen und ohne extreme Diäten. Und drittens: Erholung. Letzteres unterscheiden wir in passive und aktive Erholung. Bei der passiven Erholung liegen wir auf dem Sofa, ruhen uns aus, machen nichts. Bei der aktiven Erholung beschleunigen wir das Auftanken.
Womit?
Zum Beispiel mit Stretching, Übungen auf der Blackroll, Massagen, Eisbädern, Kompressionsstrümpfen oder Saunagängen. Während meiner letzten beiden Jahre als Profisportlerin habe ich jeden Abend – oft vor dem Fernseher – gedehnt und mit der Blackroll meine Faszien massiert. Das hat mir extrem geholfen. Ich fühlte mich gut, konnte meinen Trainingsplan durchziehen und war weniger anfällig für Verletzungen. Ich meditierte auch und machte Autogenes Training. Schliesslich braucht nicht nur der Körper Erholung, sondern auch der Geist.
Ist Biken ein Sport, der eher viel oder wenig Regeneration verlangt?
Auch hier kommt es auf die Trainingsintensität und -häufigkeit drauf an. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Biken im Vergleich mit anderen Sportarten unsere Gelenke eher wenig belastet. Selbst mit einem künstlichen Kniegelenk können manche Menschen noch biken – joggen hingegen nicht. Ein weiteres Plus ist, dass sich beim Biken immer wieder Momente für kurze Pausen anbieten. Geht es zum Beispiel bergab, lassen wir kurz die Beine baumeln und atmen durch.
Und was raten Sie für die Regeneration nach dem Training?
Besonders pflegen müssen wir den Hüftbeuger. Dieser Muskel ist oft verkürzt, weil wir auf dem Bike den Oberkörper meist nach vorne lehnen. Um Rückenschmerzen vorzubeugen, müssen wir in der Regeneration den Hüftbeuger öffnen, entweder durch Dehnung oder Massage. Ich pflege meinen Hüftbeuger meist mit der Blackroll, auch auf Reisen. Ein Glück, dass eine Blackroll in jeden Koffer passt.
Kathrin Stirnemann
Kathrin Stirnemann (31) war zwischen 2012 und 2020 Profi-Radsportlerin (Cross-Country, Strasse und e-MTB). In Cross-Country wurde sie zweimal Weltmeisterin. Heute ist die Aargauerin Nationaltrainerin MTB Cross-Country U19 Frauen.