Es ist kurz vor 6 Uhr morgens und Brigitte Haab sitzt mit geschlossenen Augen in einem fremden Bett. In dieser Position spürt sie dem Atem nach, der durch ihren Körper strömt – ein Ritual, mit dem sie seit vielen Jahren in den Tag startet. Dann öffnet die 73-Jährige die Augen, setzt die Füsse auf den Boden und steht vorsichtig auf. An Krücken geht sie die ersten Schritte des Tages. Ausser ihr ist noch kaum jemand auf den Beinen. In den Gängen der Rehaklinik Zollikerberg ist es still, nur die Nachtwache grüsst leise und Chefarzt Dr. Alexander Nydegger huscht ein Lächeln übers Gesicht, als er Frau Haab an seinem Büro vorbeischreiten sieht. Hin und zurück, hin und zurück – Brigitte Haabs Aufwärmprogramm für den Tag.
Ayurveda-Kur gegen Hüftarthrose
Hüftarthrose liegt in der Familie, das weiss Frau Haab spätestens, seit sie vor 20 Jahren das linke Hüftgelenk ersetzen liess, wie schon ihre Mutter und Zwillingsschwester vor ihr. Nach dem Eingriff und ein paar Wochen Erholung reiste sie damals nach Buenos Aires, um Tango Argentino zu tanzen – von dieser «lustvollsten aller Therapien» schwärmt sie noch heute. Als in den Jahren darauf auch ihre rechte Hüfte zu schmerzen begann, verzichtete sie vorerst auf einen zweiten Eingriff und fand in Ayurveda-Kuren Linderung, bis die Corona-Pandemie den Kuren im Ausland ein vorläufiges Ende setzte und die Schmerzen zurückkehrten. Jetzt musste doch die Schulmedizin helfen:
Hüftgelenk aus Titan
Am 16. April 2024 wurde Frau Haab am Spital Zollikerberg von Dr. Judith Fellmann in minimalinvasivem Verfahren ein Hüftgelenk aus Titan eingesetzt, ein Routineeingriff, dem sich jährlich 22'000 Menschen in der Schweiz unterziehen. Seit gut zwei Wochen ist Frau Haab jetzt in der Rehaklinik Zollikerberg, die von Zurzach Care betrieben wird. Sie ist eine der jüngeren Patientinnen hier und in Sachen Balance eine der fortgeschrittensten: Beim Gleichgewichtstest schneidet sie bereits wieder fast so gut ab wie vor der Operation. Die Krücken hat ihr der Chefarzt nur zur Sicherheit verschrieben, denn manchmal fühlt sich ihr Oberschenkel noch taub an. Frühmorgens beginnt Frau Haab selbstständig mit ihren Übungen, nach dem Frühstück stehen vier Therapiesitzungen à 30 Minuten auf dem Programm: Physiotherapie, Gruppentherapie, Wassertherapie, Lymphdrainage. Die Fachleute von Zurzach Care sind zufrieden mit Frau Haabs Fortschritten; an ihrer Hüftflexion und der Kraft in den Abduktoren und Adduktoren muss sie allerdings weiterarbeiten. Übermorgen wird sie nach Hause entlassen, dann beginnt ein neues Kapitel der Rehabilitation.
Eigenverantwortung bei Physiotherapie
Zweieinhalb Monate nach der Hüftprothesenoperation schwingt sich Frau Haab einen Turnbeutel über die Schultern und trippelt flink die Treppenstufen aus dem dritten Stock hinunter – einen Lift gibt es in ihrem Wohnblock in Stäfa nicht, und das findet sie gut so. Treppenlaufen hält fit. Auf den letzten Metern lässt sie sogar vorsichtig das Geländer los. Dann fährt sie mit ihrem Daihatsu zur «Physio Stäfa» ins selbstständige Training. Die Therapie hat sie für diese Woche schon hinter sich. Auf dem Hometrainer tritt sie bereits wieder mit einem Widerstand von 45 Watt in die Pedale, das Laufband beschreitet sie rück- und seitwärts und in der Beinpresse stemmt sie fast ihr eigenes Körpergewicht von 52 Kilogramm. Frau Haab ist dankbar für die therapeutische Unterstützung auf ihrem Weg zur Genesung – und doch weiss sie, dass sie als Patientin Eigenverantwortung übernehmen muss.
Geduld zahlt sich aus
Ihr Einsatz zahlt sich aus: Hat sich Frau Haab erst einmal warmgelaufen, fällt kaum mehr auf, dass im rechten Bein noch nicht alles rund läuft. Sie bleibt deshalb achtsam, denn dieses unmerkliche Hinken, diese minimale Abweichung vom gesunden Bewegungsablauf kann sie bei einem Stolperer aus der Balance bringen. Als Verbindung zwischen Becken und Oberschenkelknochen ist das Hüftgelenk für das Stehen und Gehen im Gleichgewicht entscheidend. Das Letzte, das Frau Haab jetzt passieren darf, ist zu stürzen. Der Becken- oder Oberschenkelknochen könnte Schaden nehmen, eine weitere OP wäre die Folge, alles würde von vorne beginnen. Auch deshalb arbeitet Frau Haab so fleissig daran, dass alle Rädchen im Wunderwerk Körper wieder fliessend ineinandergreifen. Mit grossem Einsatz, aber auch mit der notwendigen Geduld.