Was ist Glück und wie kann man es erreichen? Erste Antworten auf diese Frage sind über 2500 Jahre alt. Während chinesische Gelehrte im 6. Jahrhundert vor Christus das wahre Glück im Nichtstun sahen, waren die alten Griechen 200 Jahre später deutlich strenger. Nur wer vorbildlich und gemäss den geltenden sittlichen Normen lebt, wird glücklich, war etwa der Philosoph Platon der Meinung. Heute geht die Suche nach Antworten weit über die Philosophie hinaus. Während sich Fachleute der Wirtschaftswissenschaft fragen, ob Geld glücklich macht, wollen Soziologinnen und Soziologen wissen, wo die glücklichsten Menschen leben. So erscheint jedes Jahr der World Happiness Report. Bewertet werden Glücksfaktoren wie Wohlstand, Lebenssituation oder politische Voraussetzungen. Die Schweiz ist jeweils vorne mit dabei – im Jahr 2021 auf Platz vier, hinter Finnland, Island und Dänemark.
Glücksforschung
Bereits in den 1950er Jahren beschäftigte sich die Medizin mit Glück. Der US-amerikanische Neurowissenschaftler James Olds wollte wissen, was im Gehirn passiert, wenn wir uns glücklich fühlen. Er untersuchte dies an Ratten. Die Tiere konnten selbst einen Knopf drücken, der durch elektrische Impulse eine bestimmte Hirnregion stimulierte. Sie taten dies bis zu achttausend Mal pro Stunde und verzichteten bereitwillig auf Schlaf oder Nahrung – sie waren süchtig nach dem Glückskick. Olds hatte das Lustzentrum im Gehirn entdeckt. In dieser Hirnregion werden Neuronen aktiv, wenn uns etwas passiert, das besser ist als erwartet. Wir stossen den Glücksstoff Dopamin aus, der weitergeleitet wird und zu einer Kettenreaktion führt, durch die opiumähnliche Stoffe ausgeschüttet werden. Diese Stoffe lassen uns vor Glück euphorisch werden (Quelle: www.dasgehirn.info).
Die heutigen Hirnforschenden unterscheiden zwischen zwei verschiedenen Arten von Glück: Dem beschriebenen kurzfristigen Glücksgefühl und einer latenten Zufriedenheit, ein Gefühl der Ausgeglichenheit. Diese Zufriedenheit ist teils genetisch bedingt, wie verschiedene Studien belegen. Das ist der Grund, warum es Optimisten und Pessimisten gibt, warum gewisse Menschen das Glas halbvoll und andere halbleer sehen.
Glücklichsein kann trainiert werden
Dass unser Glück zum einen Teil von unseren Genen abhängt, heisst auch, dass der andere Teil beeinflussbar ist. Damit beschäftigt sich unter anderem die positive Psychologie, welche auf Englisch den treffenderen Namen «Science of Happiness» trägt (dt. Wissenschaft des Glücklichseins). «In der positiven Psychologie geht es nicht darum, sich zu fragen, was falsch, sondern was gut läuft und wie der Mensch noch glücklicher werden kann», sagt Anna Miller, die diesen noch jungen Zweig der Psychologie in London studierte. Die positive Psychologie zeige klar auf, was glücklich macht: Sinnvolle Beziehungen, die Natur, sportliche Betätigungen oder auch Schenken. Anna Miller spricht vom ‘random act of kindness’ (dt. zufälliger Akt der Freundlichkeit). «Wenn wir jemandem einen Gefallen machen, auch ohne, dass dieser Person das bewusst ist, macht uns das glücklich.» Das besagt auch eine Studie der Universität Zürich. Forschende versprachen 50 Probandinnen und Probanden, dass sie jede Woche 25 Franken erhalten, um jemandem etwas Gutes zu tun und zeichneten dabei die Gehirnaktivität auf. Das Ergebnis: Allein die Absicht, grosszügig zu handeln, sorgte für ein nachweisbares Glücksgefühl bei den untersuchten Personen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatten sie weder Geld erhalten noch ausgegeben. Geben ist also tatsächlich seliger als Nehmen und an der Redewendung ‘jeder ist seines eigenen Glückes Schmid’ was dran.
Anna Miller ist zu Gast in der Dezemberausgabe von «Allegra – dem Podcast mit gesundem Bündnerverstand». Moderator Fabio Nay spricht mit Anna Miller über unser digitales Verhalten und wie es uns psychisch negativ und positiv beeinflussen kann.