Wer an den grossen Radrundfahrten am Start steht, gehört in der Regel zu einem internationalen Profiteam, einem sogenannten World Team. Auf den Trikots prangen gross die jeweiligen Hauptsponsoren wie UAE Emirates, Trek-Segafredo oder Alpecin-Fenix. Im Startfeld der Tour de Suisse sind allerdings auch in diesem Jahr erneut einige Fahrer zu sehen, die auf dem Trikot das Schweizerkreuz tragen – und auf dem Ärmel das Logo von ÖKK. Sie gehören zur siebenköpfigen Auswahl von Nationaltrainer Michael Albasini. Bereits zum dritten Mal steht die Schweiz an der Tour de Suisse mit einem solchen Aufgebot am Start.
Auf dem Radar der Profiteams
Beim Aufgebot handelt es sich um eine Fördermassnahme im Hinblick auf die Strassen-Weltmeisterschaft, welche 2024 in Zürich stattfindet. Ziel des nationalen Verbands Swiss Cycling ist es, aufstrebenden Nachwuchsfahrern und Athleten aus der zweiten Garde die Möglichkeit zu bieten, auf sich aufmerksam zu machen. Aufmerksam gemacht werden sollen konkret die Entscheidungsträgerinnen und -träger der World Teams, welche die höchste Klasse im Radrennsport bilden. Nationaltrainer Michael Albasini erklärt: «Die Profiteams halten an den grossen Rundfahrten sowie an den Europa- und Weltmeisterschaften der Elite und der U23 nach geeigneten Fahrern Ausschau. Für Fahrer, die älter als 23 Jahre alt sind und noch keinem Profiteam angehören, ist es sehr schwierig, sich zu präsentieren. Diesen Fahrern geben wir eine Bühne.»
«Die Menschen am Strassenrand reagieren ganz anders, wenn sie ein Schweizerkreuz auf einem Trikot sehen, das sie anfeuern können.»
Nationaltrainer Michael Albasini
Die Bühne hat sich bereits bewährt: Matteo Badilatti, Fabian Lienhard, Simon Pellaud und Joel Suter starteten in den vergangenen Jahren im Aufgebot der Nationalmannschaft und stehen nun bei World Teams unter Vertrag. Es sei aber nicht nur eine gute Bühne für die Fahrer, sondern auch für die Veranstalter der Tour de Suisse und für den nationalen Verband. «Die Menschen am Strassenrand reagieren ganz anders, wenn sie ein Schweizerkreuz auf einem Trikot sehen, das sie anfeuern können. Wir als Verband haben zudem zu Hause in der Schweiz ein Schaufenster, in dem wir uns präsentieren können.»
Kleines Team, grosse Planung
Das Schweizer Team an der Tour de Suisse besteht neben den sieben Fahrern aus zwei sportlichen Leitern, vier Masseurinnen und Masseuren, drei Mechanikern, zwei Medienbeauftragten und Nationalcoach Albasini. «Es sind eigentlich zwei Mannschaften, die ich manage: Die Fahrer und das Team, das sich um sie kümmert.» Zur Truppe gehören zudem ein kleiner Lastwagen, der persönliche Koffer und anderes Material von Hotel zu Hotel fährt, ein Bus, der im Startgelände als Garderobe und Aufenthaltsraum für die Fahrer dient, sowie zwei Autos, die auf der Strecke unterwegs sind. Albasinis Aufgabe als Nationalcoach ist es, all das zu koordinieren. In einem Tagesplan hält er jeweils fest, wann die Koffer gepackt sein müssen, wann die Fahrer sich umziehen können und welches Teammitglied zu welcher Zeit an welchem Verpflegungsposten bereitstehen muss. Anspruchsvoll ist diese Planung vor allem, weil das Team von Albasini nur halb so viel Personal hat wie die anderen Teams. «Während diese Teams an jedem Posten eine Person aufbieten können, müssen wir schauen, dass eine Person nach getaner Arbeit an einem Posten rechtzeitig beim nächsten ist.» 80 Prozent seiner Arbeit bei einer Tour de Suisse sei Planung, so Albasini weiter. Die anderen 20 Prozent seien der sportliche Teil. Jeden Morgen werden im Team die taktischen Überlegungen für den jeweiligen Tag besprochen. «Während der Rennen sitze ich im Auto, das hinter dem Hauptfeld fährt. Wenn es taktische Anpassungen gibt, kann ich diese per Funk den Fahrern weitergeben.»
Jede Etappe ist die wichtigste
Für Michael Albasini spielt die Rangierung seiner Schützlinge im Gesamtklassement keine Rolle. Ziel müsse sein, sich bestmöglich zu präsentieren. Nur wie? «Wenn wir uns zeigen wollen, dann über starke Leistungen in den Fluchtgruppen und in den verschiedenen Spezialwertungen. Etwa, wenn wir das Bergpreis- oder das Sprinttrikot kurzzeitig übernehmen können.» Eine Etappe zu gewinnen, sei nicht das Ziel, aber immer möglich. «Wer am Start steht, hat immer Chancen zu gewinnen.» Albasini spricht aus Erfahrung: 15 Mal stand er als aktiver Radrennfahrer an der Tour de Suisse am Start – drei Mal konnte er eine Etappe gewinnen. Nun erlebt er die Tour de Suisse zum zweiten Mal als Nationaltrainer.
Alle Informationen zu den Etappen, den Teams sowie den Fahrerinnen und Fahrern finden Sie auf der Website der Tour de Suisse. SRF Sport überträgt die Tour de Suisse live.
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«Wer am Start steht, hat immer Chancen zu gewinnen.»
Die diesjährige Tour führt die Fahrer über 1’300 Kilometer von Zürich im Bogen über den Jura und die Zentralschweiz ins Tessin, Wallis und schliesslich ins Nachbarland Liechtenstein. Albasini, der in Appenzell Ausserrhoden wohnt, freut sich besonders auf die beiden letzten Etappen in Vaduz. «Das ist gleich bei mir um die Ecke. Es ist schön, die Tour des Suisse nur wenige Kilometer von zu Hause entfernt zu beenden.»
Tour de Suisse Women
Nach der Premiere der Tour de Suisse Women 2021 messen sich die Frauen in diesem Jahr in doppelt so vielen Etappen. Die ersten beiden Etappen – ein Rundkurs und ein Zeitfahren – finden in Liechtenstein statt. Nach einer hügeligen Etappe nach Chur folgt die Königsetappe: über 2'000 Höhenmeter von Chur über das Prättigau nach Lantsch/Lenz.
Fotos: Swiss Cycling & 360dsm