In den letzten Ferientagen hält sich die Vorfreude auf die Schule meistens in Grenzen. Verständlich, Ferien sind toll und könnten gefühlt ewig weitergehen. Wie Eltern ihre Kinder für die Schule motivieren können, weiss Christian von Olnhausen, Experte für Nachhilfe und Lerncoaching.
Christian von Olnhausen, wie schaffen es Eltern, dass Kinder nach den langen Sommerferien wieder mit Freude zur Schule gehen?
Generell gilt es, den Fokus auf die positiven Dinge in der Schule zu legen, denn auch die Schule kann ein Ort sein, an dem man gerne Zeit verbringt. Man sieht jeden Tag seine Freund*innen und kann neue Fächer, Sport- oder Freizeitangebote entdecken. Vielen Kindern bietet die Struktur, die dem Alltag dadurch gegeben wird, wichtigen Halt. Neben Freund*innen haben Kinder in der Schule auch andere wichtige Bezugspersonen, wie beispielsweise die Lieblingslehrperson. Grundsätzlich ist es wichtig, den Kindern aufzuzeigen, weshalb sie eigentlich gerne zur Schule gehen. Konkrete Fragen wie «Auf was freust du dich am meisten, wenn du wieder in die Schule gehst?» oder «Für was bist du dankbar in der Schule?» können genau dabei helfen. Falls die Schule als ein Ort wahrgenommen wird, an dem sich die Kinder unwohl fühlen, sollten die Eltern das Gespräch suchen und nachforschen, warum das so ist. Möglicherweise gibt es Probleme in bestimmten Fächern, mit Schulkamerad*innen oder Lehrer*innen. Dann sind die Kinder auf die Intervention ihrer Eltern angewiesen sind.
Der Wechsel vom Nichtstun zum eng getakteten Stundenplan ist markant. Wie kann dieser abgefedert werden?
Bereits in der letzten Ferienwoche kann damit begonnen werden, wieder mehr Struktur aufzubauen. So wird der Bruch zwischen Ferien und Schulalltag etwas abgeschwächt Oft hilft es, morgens zu einer bestimmten Uhrzeit aufzustehen, anstatt lange auszuschlafen. In den Zeitraum nach dem Aufstehen können dann fixe Haushaltsaufgaben eingeplant werden, wie Zimmer auf- oder Spülmaschine ausräumen. Eine andere Möglichkeit wäre es auch, die Kinder in die Schulvorbereitung zu involvieren. Eltern können ihnen – je nach Alter – auch Aufgaben wie das Kaufen neuer Hefte oder Stifte übertragen. In der ersten Schulwoche sollte man die schulfreie Zeit nicht schon komplett verplant haben, damit auch noch Raum für spontane Aktivitäten bleibt. Vor allem das Etablieren von aktiven Pausen zwischen Schule und anderen Terminen kann den Wechsel bereits unterstützen. Zudem sollten die Kinder nach Möglichkeit in die Planung miteinbezogen werden.
Empfehlen Sie es, in den Ferien zu lernen oder sollten Kinder eher komplett abschalten, um ihre Batterien neu aufzuladen.
Hier macht es die Balance aus. In den Ferien sollte auch weiter gelernt werden, besonders in Fächern, in denen Wissenslücken bestehen. Auch sollte repetiert werden, damit nicht alles Gelernte in den Ferien vergessen wird. Auf die vergangenen Lernerfolge können die Kinder im neuen Schuljahr dann aufbauen. Um die Motivation zu erhalten, sollte das Lernen auch in Lernblöcken stattfinden, wie zum Beispiel alle vier Tage jeweils zwei Stunden. Kindern, für die tägliches Lernen in den Ferien emotional belastend wäre, ermöglicht man so spürbare und erholsame Lernpausen. Genauso braucht auch das Gehirn diese wichtigen Ruhetage, die die Kinder dann ohne schlechtes Gewissen geniessen können.
Einige Kinder lieben Mathematik, andere weniger. Genauso verhält es sich auch bei anderen Fächern. Wie kann auch zu einem weniger beliebten Fach ein Zugang geschaffen werden?
Selten mögen Kinder Fächer von vornherein nicht, sondern entwickeln eine Ablehnung, weil sie es nicht «gut genug können» und wiederholt und oft über mehrere Jahre Negativ- und Versagenserfahrungen machen. Erfolgserlebnisse sind das A und O, um eine Abneigung gegen ein Fach abzubauen. Aus diesem Grund muss das Selbstbewusstsein gestärkt werden. Das Kind muss davon überzeugt sein, dass es sich das geforderte Wissen aneignen kann. Natürlich wird schlussendlich nicht jedes Fach zum Lieblingsfach, aber ein positiver Zugang kann erarbeitet werden. Man muss oft dort ansetzen, wo die ersten Wissenslücken entstanden sind und die Kinder immer wieder bestärken. Dadurch werden Erfolge erreich- und sichtbar.
Vielfach fehlt auch der Praxisbezug, der motivieren könnte. Ihr Tipp?
Die Relevanz und der Praxisbezug zu einem Fach helfen, um Kinder dafür zu motivieren, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Ein Beispiel für das Fach Mathematik wäre es, ein Bienenhotel zu bauen, in dem man den Satz des Pythagoras anwenden muss.
Die ersten Prüfungen sind geschrieben und unter Umständen flattert damit auch mal eine schlechte Note ins Haus. Damit kann die Lernmotivation rasch wieder in den Keller fallen. Wie weiter?
Über eine schlechte Note freut man sich im Regelfall nie. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass eine schlechte Note lediglich zeigt, dass man etwas noch nicht so gut kann. Viel wichtiger ist der Lernprozess an sich. Deshalb ist es wichtig, zu schauen, wie die nicht zufriedenstellende Note zu Stande kam. Davon kann abgeleitet werden, was in Zukunft beim Lernen anders gemacht werden kann. Das Analysieren des Lernverhaltens ist hierfür ein wichtiger Faktor. Wie hat Ihr Kind für die letzte Prüfung gelernt? Wie viel Zeit hat sie*er sich dafür genommen? Hat Ihr Kind die Inhalte nur wiederholt oder auch Übungsaufgaben dazu gemacht und einen Transfer geschaffen? Helfen Sie Ihrem Kind dabei, das eigene Lernverhalten zu reflektieren und wenn nötig eine Anpassung hervorzurufen.
Das frühe Aufstehen macht nach der Sommerpause vielen besonders zu schaffen. Gibt es einen Trick, damit das Aufstehen leichter fällt und vielleicht sogar noch etwas schöner ausfällt?
Es ist wichtig, dass nicht bis zum ersten Schultag gewartet wird, um morgendliche Strukturen wieder herzustellen – denn hier ist die plötzliche Veränderung zu gross. Am besten sollte bereits in der letzten Ferienwoche damit begonnen werden, die gewohnte Struktur am Morgen wieder einzuführen. Dabei sollten die Kinder mit in das Gestalten der Aufstehrituale einbezogen werden. In der letzten Woche werden diese dann ausprobiert und geübt. Im Schulalltag liegt es oft nicht drin, Experimente rund ums Morgenritual durchzuführen. Denn die Kinder müssen nun mal zu einer bestimmten Uhrzeit wach und dann fertig für die Schule sein. Aus diesem Grund sollten Eltern sich und ihren Kindern in den Ferien Freiräume zum kooperativen Experimentieren schaffen. Zum Beispiel kann man das eigene Kind fragen, wie es denn gerne geweckt werden möchte, zum Beispiel mit dem Lieblingslied. Dieser Wunsch kann anschliessend umgesetzt werden. Falls die Idee nicht erfolgreich ist, sucht man gemeinsam nach einer Alternative.
Nicht nur die Schule gibt den Takt vor. Auch das Freizeitprogramm nimmt wieder Kurs auf. Wie wichtig sind nun Erholungsphasen für Kinder und wie sollten diese bestenfalls gestaltet werden?
Erholungsphasen für Kinder sind sehr wichtig. Das Gehirn braucht Pausen wie beispielsweise Ruhetage oder Schlaf. Zudem ist die Art der Pausen wichtiger als die Ruhezeit an sich. Besonders empfohlen werden Kontrastpausen. Damit ist gemeint, etwas völlig anderes zu tun. Wenn man davor drinnen war, sollte man das Haus verlassen und andersherum.
Gibt es Dinge, die aus dem Ferienalltag in den Schulalltag übernommen werden können? Zum Beispiel gewisse Rituale?
Oft erleben Kinder und Jugendliche ihre Ferien sehr selbstbestimmt. Sie dürfen viel entscheiden, was sie wann und mit wem machen. Im Schulalltag sind sie sehr fremdbestimmt, auch nach der Schule geht es oft sehr getaktet weiter. Beispielsweise wird in den Ferien die Frage gestellt: «Was möchtest du heute machen?» In der Schulzeit wird diese Frage oft nicht gestellt, sondern die Aussage getroffen «Heute nach der Schule hast du folgende Termine.» Hieraus entwickelt sich oft viel Frustration, vor allem bei Jugendlichen. Wo immer möglich, sollten deshalb auch im Schulalltag Räume für Selbstbestimmung, Kreativität und Aktivitäten geschaffen werden. Dadurch kann auch die Motivation für das Lernen gefördert werden.
Christian von Olnhausen
Christian von Olnhausen ist Gründer & CEO der TEACHY Schweiz AG - einem EdTech Startup für Nachhilfe und Lerncoaching. Angetrieben von der Vision «Teaching the Youth» setzt er sich dafür ein, dass Kinder und Jugendliche durch nachhaltiges Lernen ihre Bildungsziele erreichen. Er selbst ist seit vielen Jahren als Tutor tätig und begleitet Schüler*innen auf ihrem Weg zum Bildungserfolg.