Edi Telser ist seit dem Jahr 2013 Nationaltrainer bei Swiss Cycling. Zunächst war er nur für den Bereich Mountainbike, später auch für den Radsport auf der Strasse zuständig. Ganz am Anfang seien auch Männer in seinem Team gewesen, sagt der Südtiroler. «Der Trainingsaufbau und der Umfang des Trainings ist bei Frauen und Männern sehr ähnlich. Frauen haben aber andere Bedürfnisse und Fähigkeiten.» Das zeige sich etwa bei einer Streckenbesichtigung. Weil Frauen in der Regel etwas weniger schnell unterwegs sind als Männer, entscheide man sich für eine andere Linie.
Technik und Wissenschaft als Erfolgsfaktor
Um an der Weltspitze mitzufahren, braucht es nicht nur Ausdauer, sondern auch die richtige Technik. Das Techniktraining hat bei Edi Telser einen hohen Stellenwert. Die Früchte dieser Arbeit konnten unter anderem an den Olympischen Spielen in Tokio geerntet werden, mit dem historischen, rein schweizerischen Mountainbike-Podest. Der Kurs galt als technisch anspruchsvoll. «Das intensive Techniktraining ist im Moment einer unserer kleinen Vorsprünge zu den anderen Nationen.»
Die jüngsten Erfolge der Swiss Cycling Athletinnen seien aber auch der Wissenschaft zu verdanken. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele und die dortigen tropischen Wetterverhältnisse wurde mit verschiedenen Methoden die Körpertemperatur der Athletinnen analysiert. Bereits 2018 in einem Hitzecamp in Malaysia lernten sie, ihre Körpertemperatur bestmöglich zu kontrollieren, um einen Leistungsabfall zu vermeiden. Mit Forscherinnen und Forschern feilen Edi Telser und sein Team zudem am perfekten Reifen. So sind die Schweizerinnen tendenziell mit breiteren Reifen und teilweise mit weniger Luft darin unterwegs. «Dank den wissenschaftlichen Erkenntnissen stellten wir das Material im Vergleich zu anderen Nationen früh um.» Doch das kostete Edi Telser auch Überzeugungskraft. Der Mythos viel Luft = schneller, hielt sich auch in seinem Team hartnäckig. «Gerade bei Juniorinnen, die neu ins Nationalteam kommen, war das tatsächliche harte Arbeit. Mit Tests im Gelände konnten wir sie aber schliesslich überzeugen.»
Zyklusorientiertes Training
Als Trainer des Frauen-Nationalteams muss sich Edi Telser auch mit frauenspezifischen Gesundheitsthemen auseinandersetzen. Der weibliche Zyklus kann Leistungseinbussen oder sogar Schmerzen mit sich bringen. «Das ist sehr individuell und dementsprechend versuche ich, das Training in dieser Zeit individuell anzupassen.» Das Thema ‘weiblicher Zyklus im Profisport’ hat in den vergangenen Monaten an Bedeutung gewonnen. Im Frühjahr brachte Olympia-Silbermedaillen-Gewinnerin, Zeitfahr-Europameisterin und -WM-Zweite Marlen Reusser das Thema aufs Tapet. Im Mai verzichtete die Schwedin Jenny Rissveds wegen Regel-Beschwerden auf ein Rennen und erklärte dies auch so in den sozialen Medien. Es sei wichtig, dass seine Athletinnen kompetente Ansprechpartner bei diesem Thema haben, sagt Edi Telser. «Es gibt Athletinnen, die keine Mühe haben, mit mir als Mann darüber reden. Aber wir haben ein riesiges Team mit vielen Fachfrauen, darunter Physiotherapeutinnen, Ärztinnen und Ernährungsberaterinnen.»
Ein Team – viele, starke Charaktere
Jolanda Neff, Sina Frei, Linda Indergand, Marlen Reusser – das sind vier Namen, die in der Saison 2021 in aller Munde waren. Doch hinter den grossartigen Erfolgen dieser Frauen steht eine grosse Gruppe weiterer Athletinnen. Diese Konstellation sei für das ganze Nationalteam positiv, so Cheftrainer Edi Telser. «Durch die Topathletinnen lastet weniger Druck auf den Nachwuchs-Fahrerinnen. Andererseits erhalten die Topathletinnen auch Druck von hinten, denn die anderen Fahrerinnen bringen starke Fähigkeiten mit.»
Das lässt darauf hoffen, dass die Schweiz auch in den kommenden Saisons grossartige Erfolge feiern darf. Resultate, für die Edi Telser mitverantwortlich sein wird. «Sicher geniesse ich den Erfolg. Aber deswegen mache ich den Job nicht, sondern weil ich einfach gerne mit den Athletinnen arbeite.»