Von Rückenschmerzen bis Burnout: Die körperliche und psychische Belastung für E-Sportlerinnen und E-Sportler ist gross. Performance Coach Nina Zweifel unterstützt Athletinnen und Athleten dabei, gesündere und dadurch erfolgreichere Gamerinnen und Gamer zu werden.
Nina Zweifel, Sport ist ja bekanntlich gesund. Wie gesund ist E-Sport?
Natürlich setze ich mich nicht als erstes an den Computer, wenn ich etwas für meine Gesundheit tun möchte. Aber sicher ist: Casual Gaming ist nicht ungesund. Es fördert unter anderem die Reaktion, Konzentration und räumliche Wahrnehmung. Das haben zig Studien bewiesen. Gesundheitliche Herausforderungen treten vor allem im Leistungssport auf – und dazu gehört der E-Sport.
Mit welchen Beschwerden haben Athletinnen und Athleten des E-Sports zu kämpfen?
Zum Beispiel mit Handgelenkbeschwerden, Rückenschmerzen, Nackenverspannungen, Migräne und Sehstörungen. Ebenso verbreitet ist die Burnout-Symptomatik. Auf den Profis lastet ein enormer Druck: Sie müssen intensiv trainieren und an Turnieren grossartig performen. Neben den Trainings und Wettkämpfen bleibt kaum mehr Zeit für anderes.
Das kann an die Substanz gehen.
Allerdings. Es gibt immer wieder Profis, welche die Belastungen nicht mehr aushalten. Zum Beispiel Uzi, ein Profi aus China, der mit gerade mal 23 Jahren 2020 seinen Rücktritt bekanntgab. Er litt unter starken Handgelenksschmerzen und Diabetes Typ 2 – beides vermutlich Folgen seines Lebensstils als Profi. Diese Nachricht hat die Szene schockiert und machte bewusst: Wenn wir möglichst lange erfolgreich gamen wollen, müssen wir unserer Gesundheit besser Sorge tragen.
Wie?
Indem wir tun, was im klassischen Leistungssport gang und gäbe ist: ganzheitlicher trainieren. Nur ein ausgeglichener und gesunder Athlet ist ein erfolgreicher Athlet. Das bedeutet: Nicht allein die Fertigkeiten müssen trainiert werden. Genügend Schlaf, ausgewogene Ernährung sowie körperliche und psychische Fitness sind ebenso wichtig.
Warum?
An einem Turnier geht es oft unwahrscheinlich hektisch zu und her. Die Athletinnen und Athleten müssen sich innert Sekundenbruchteilen zurechtfinden, entscheiden und reagieren. Ihre Herzfrequenz liegt während des Spiels bei 160 bis 180 Schlägen pro Minute. Ein ähnlicher Wert hat jemand, der ohne anzuhalten sprintet.
Wie schaffen es die Athletinnen und Athleten, in solchen Stresssituationen einen kühlen Kopf zu wahren?
Mit mentaler Stärke. Wie wichtig sie ist, habe ich vor Kurzem einmal mehr an einem «League of Legends»-Turniers erlebt: Unser Team war so weit im Hintertreffen, dass sogar der Kommentator das Spiel für entschieden abtat. Unsere Athleten aber wurden nicht emotional, sondern mobilisierten Kräfte und behielten das Ziel vor Augen. Für den Sieg reichte es nicht, aber unser Team beeindruckte mit Resilienz.
Der Athlet von heute ist also ein gesundheitsbewusster Multitasker?
Nun, daran arbeiten wir.
Dann brauchen sich Eltern keine Sorgen zu machen, wenn der Sprössling nichts lieber tut als gamen?
Sie brauchen sich auf jeden Fall nicht mehr Sorgen zu machen, als wenn der Berufswunsch Profi-Fussballer wäre. Wichtig ist doch, dass sich Eltern für die Leidenschaft ihres Kindes interessieren. Doch viele Eltern haben keine Ahnung von der Gamer-Welt. Ihnen empfehle ich: Respektiert das Hobby eures Kindes und informiert euch. Ihr werdet staunen.
Fit zum Sieg
Erstellen Sie einen Trainingsplan und halten Sie sich an ihn
Erholen Sie sich aktiv
Ernähren Sie sich ausgewogen
Schlafen Sie genug, idealerweise acht bis neun Stunden lang
Bewegen Sie sich regelmässig, die WHO empfiehlt 2,5 Stunden pro Woche
E-Sport in der Schweiz
In der Schweiz sind bis auf wenige Ausnahmen alle Athletinnen und Athleten des E-Sports semi-professionell. Sie gehen also ihrem gewohnten Job nach und gamen am Abend und an den Wochenenden. Für individuelle Trainings, Teamtrainings und offizielle Turniere investieren sie zehn bis 20 Stunden pro Woche.
- Die grössten internationalen Turniere finden live in – meist ausverkauften – Stadien statt.
- Die Preisgelder der weltweit grössten Turniere betragen bis zu 25 Millionen Dollar.
- Mindestalter an Profi-Turnieren: 16 Jahre.
- Ein Athlet schafft gemäss einer Studie auf Tastatur und Maus bis zu 400 Bewegungen pro Minute – viermal mehr als ein Nicht-Gamer.
- n0tail, ein dänischer Profi der Disziplin «Dota 2», kassierte 2019 mit seinem Sieg am Turnier «The International» rund 3 124 000 Dollar.
- Zu den 20 bestverdienenden E-Sport-Athleten aller Zeiten gehören gemäss einer Liste von Wikipedia ausschliesslich Männer.
Nina Zweifel
Nina Zweifel (24) ist Performance Coach bei mYinsanity, einem der erfolgreichsten E-Sport-Team der Schweiz. Gemeinsam mit einer Ernährungsberaterin und einem Mental Coach bietet sie eine umfassende Support-Struktur für Athletinnen und Athleten des E-Sports. Nina Zweifel studiert Psychologie an der Universität Zürich.
Foto: mYinsanity, Elias Inäbnit