Freude, Aufregung, Verwirrung, Ängste und die Frage, wie es jetzt weitergeht, sind Gefühle und Gedanken, die gerade anfangs stark beschäftigen. Verständlich, denn eine Schwangerschaft verändert vieles, sei es im Körper oder im Alltag. Corina Gruber, Hebamme MSc, arbeitet auf der Gebärabteilung des Kantonsspitals Graubünden, begleitet Schwangere bereits über 17 Jahre und kennt das anfängliche Gedankenwirrwarr nur zu gut. Wie eine Schwangere die anstehenden Veränderungen am besten bewältigt und was sie besonders beachten sollte, erklärt Corina Gruber im Interview.
Frau Gruber, welche typischen körperlichen Veränderungen sind verlässliche Schwangerschaftsanzeichen?
Das Ausbleiben der Menstruation ist sicherlich eines der ersten Anzeichen. Doch nicht alle Frauen denken deshalb direkt an eine Schwangerschaft. Denn die Menstruation kann sich auch mal verzögern. Häufig ist es so, dass Frauen aufgrund der veränderten Hormone ein Spannen in der Brust spüren. Einige werden auch schnell durch die morgendliche Übelkeit geplagt und durch eine starke Geruchsempfindlichkeit.
…oder sie verspüren plötzlich Lust auf saure Gurken mit Nutella. Oder ist das doch nur ein Mythos?
Der Geschmackssinn einer Schwangeren ist tatsächlich verschärft und nicht selten entwickelt sie ein Verlangen nach ungewohnten Lebensmittelkombinationen. Dass Schwangere aber mehr saure Gurken essen als Nicht-Schwangere, ist wohl eher ein Mythos.
Macht ein Schwangerschaftstest bereits bei diesen ersten Anzeichen Sinn?
Sobald man diese körperlichen Veränderungen spürt, kann ein Test gemacht werden. Ist das Spannen in den Brüsten, die Geruchsempfindlichkeit oder die Übelkeit da, wird die Schwangerschaft in der Regel angezeigt – auch wenn es vielleicht noch früh ist.
Und dann direkt zur Gynäkologin oder zum Gynäkologen oder etwas zuwarten?
Wenn das Bedürfnis da ist, kann natürlich ein Termin vereinbart werden – nötig ist es allerdings noch nicht. Bestätigt werden kann die Schwangerschaft rund acht Wochen nach Ausbleiben der Menstruation. Zwischen der 12. und der 14. Schwangerschaftswoche wird die erste Ultraschalluntersuchung gemacht, sowie der Geburtstermin ermittelt.
Werdende Eltern wollen wissen, ob es ihrem Kind gut geht. Lässt sich der Gesundheitszustand in den ersten Wochen bereits ermitteln?
In der sogenannten Ersttrimester-Untersuchung, die zwischen der 12. und 14. Schwangerschaftswoche stattfindet, wird die Nackenfaltentransparenz gemessen. Zusammen mit dem Alter der Frau und anhand von Bluttests kann ein Risiko für eine Trisomie berechnet werden. Ausserdem wird im Ultraschall die Entwicklung des Kindes beobachtet. Später, ca. in der 20. Schwangerschaftswoche, werden im Ultraschall die Organe des Kindes genau angeschaut, um allfällige Abweichungen festzustellen.
Die Freude ist meist gross, wenn das Ergebnis auf dem Schwangerschaftstest positiv ist. Häufig schleichen sich aber auch Unsicherheiten oder Ängste ein. Wie lässt sich das Gedankenwirrwarr am besten ordnen?
Dass Ängste aufkommen, ist ganz natürlich. Man sorgt sich um die Gesundheit des Kindes und hat auch Angst vor der Veränderung. Gerade beim ersten Kind steht für die werdenden Eltern eine grosse Veränderung bevor. Meistens sind beide noch berufstätig und gehen einem bestimmten Rhythmus nach. Das ändert sich und man muss sich als Paar fragen, wie man die neue Lebenssituation gestalten möchte.
Was raten Sie Paaren im Umgang mit Ängsten?
Wichtig ist, dass die Partner miteinander reden und sich über die Unsicherheiten austauschen. Häufig sind es unterschiedliche Ängste, die aufkommen. So können beim Mann beispielsweise Existenzängste aufkommen und bei der Frau Fragen, die ihr künftiges Berufsleben betreffen. Kennt man die Unsicherheiten oder Ängste der Partnerin oder des Partners, kann man besser Verständnis dafür aufbringen und gemeinsam nach Lösungen suchen.
Ebenfalls ist es wichtig, den Partner einzubeziehen, da Männer einen ganz anderen Zugang zur Schwangerschaft haben. Miteinander besprechen, was wichtig ist – in Bezug auf die Geburtsvorbereitung, die Geburt, die Erziehung oder eben die Erwerbstätigkeit. Schön ist es auch, wenn der Mann bei den Ultraschallterminen jeweils dabei ist oder später dann auch die Hand auf den Bauch legt, wenn Kindsbewegungen zu spüren sind. So wird die Schwangerschaft auch für den Mann «fassbar» und er kann eine Beziehung zum Ungeborenen aufbauen.
Das Web ist voll mit Tipps rund um die Schwangerschaft. Das kann hilfreich sein, gleichzeitig aber die Unsicherheit steigern. Wie stehen Sie dazu? Dr. Google oder doch lieber die Ärztin / den Arzt fragen?
Die Hebamme fragen! (lacht) Nein, von vorne: Zu viele Informationen können verunsichern. Werdende Eltern müssen versuchen, herauszufiltern, was für sie wichtig ist. Die Informationen, die nicht guttun: weglassen. Man bekommt über Social Media viele Horrorgeschichten zu hören oder gar zu sehen. Das schürt Ängste. Persönliche Gespräche mit Fachpersonen sind da sicherlich hilfreicher. Dabei kann auf individuelle Fragen gezielter eingegangen werden. Auch darf man sich und seinem Körper Vertrauen schenken und den eigenen Bedürfnissen nachgehen.
Finden persönliche Gespräche bei den Vorsorgeuntersuchungen genügend Raum?
Bei den Vorsorgeuntersuchungen können viele Fragen geklärt werden. Gynäkologinnen und Gynäkologen haben aber nicht immer ausreichend Zeit. Was viele nicht wissen: Vorsorgeuntersuchungen, bei denen kein Ultraschall gemacht wird, können auch von Hebammen durchgeführt werden. Und diese haben oft mehr Zeit für individuelle Gespräche und Beratungen.
Ihr Tipp also: frühzeitig eine Hebamme suchen.
Sofern dies gewünscht ist, ja. Es gibt viele Hebammen, die auch Vorsorgeuntersuchungen anbieten. Hebammen sind ausgebildet und haben die Kompetenz, eine gesunde Schwangere ohne Risiken selbständig zu betreuen. Im Kantonsspital Graubünden bieten wir ebenfalls Hebammensprechstunden an. Da finden dann nicht nur Untersuchungen statt, sondern auch Geburtsvor- und nachgespräche. Oft finden die Schwangerschaftsvorsorgen auch in einem kombinierten Arzt-Hebammen-Modell statt.
Was ist unter einem Geburtsnachgespräch zu verstehen?
Gerade nach einer Geburt ist es wichtig, die Geburt nochmals aufzuarbeiten und die Frau – teilweise auch den Mann – zu unterstützen. Auch wenn medizinisch betrachtet alles gut verlaufen ist, können die Eltern die Geburt anders wahrnehmen. Ein Nachgespräch hilft bei der Verarbeitung.
Der weibliche Körper erbringt in der Schwangerschaft Höchstleistungen. Wie kann eine Schwangere positiven Einfluss auf ihr körperliches Wohlbefinden nehmen?
Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit, sondern ein natürlicher Prozess. Das heisst, Bewegung und Sport sind weiterhin möglich und sogar gut. Denn eine gewisse Fitness ist auch für die bevorstehende Geburt von Vorteil. Also rate ich immer zu Bewegung – und dies am besten an der frischen Luft. Schwimmen und Yoga haben ebenfalls eine entspannende Wirkung. Hier muss aber jede Schwangere für sich selbst herausfinden, was ihr guttut. Wer vorher schon kein Fan von Yoga war, wird es wahrscheinlich auch in der Schwangerschaft nicht werden.
Eine gesunde, ausgewogene und vollwertige Ernährung mit Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten trägt ebenfalls zum Wohlbefinden bei.
Und wenn es dann doch zu Beschwerden kommt?
Heutzutage hat man ganz viele Möglichkeiten, um diesen zu begegnen. Akupunktur kann bei vielen Beschwerden hilfreich sein, zum Beispiel bei Wassereinlagerungen, Blähungen, Übelkeit und Schlafstörungen. Auch mit der richtigen Ernährung kann man viel erreichen. Weiss man jedoch nicht, wo ansetzen oder kann sich nicht für die eine oder andere Behandlung entscheiden, bringt ein Gespräch mit der Hebamme sicherlich Licht ins Dunkel.
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Corina Gruber, Hebamme MSc im Kantonsspital Graubünden
«Hebammen begleiten nicht nur die Geburt. Sie stehen auch während der Schwangerschaft und im Wochenbett mit Rat und Tat zur Seite und helfen, mit den anstehenden Veränderungen umzugehen. Ein Tipp: Idealerweise suchen Sie Ihre Hebamme bereits frühzeitig, damit diese in dem von Ihnen gewünschten Zeitraum verfügbar ist.»
Geburt: Was hat sich verändert?
Im ÖKK Podcast Allegra spricht Hebamme Corina Gruber mit Moderator Fabio Nay darüber, wie sich die Geburten in den letzten Jahren verändert haben und welche Hilfsmittel und Methoden heutzutage zur Verfügung stehen.