Paul Berri, Sie arbeiten seit 64 Jahren für den HC Davos. Wann haben Sie Ihren ersten HCD-Match gesehen?
Das war als kleiner Bub. Die Spiele waren damals am Mittag. Ich bin direkt nach der Schule zum Eisstadion gelaufen und unter der Absperrung reingeschlichen. Die 20 Rappen Eintritt konnte sich meine Familie nicht leisten.
Haben Sie selbst auch Eishockey gespielt?
Natürlich! Jeden Winter haben wir Kinder eine Eisbahn am Albertibach gebaut und Stöcke von unseren Helden aus der ersten Mannschaft erbettelt. Später habe ich bei den Junioren des HCD gespielt, aber ich hatte ständig Probleme mit den Schiedsrichtern. Mit 14 Jahren habe ich dann aufgehört.
Wie kam es zu Ihrer ersten Anstellung beim HCD?
1956 sagte mir Fredy Bosch, der damalige Chef der Technischen Kommission: «Ich brauche jemanden, der anpacken kann.» Ich war gerade fertig mit meiner Maurerlehre und freute mich über die Anfrage.
Wie war das Eishockey damals?
Wild! Als ich 1956 anfing, hatte der HCD eine Durststrecke – es waren die goldenen Jahre des EHC Arosa. Aber dann kam Stu Robertson, ein knallharter Kanadier, aber ein Guter. Mit ihm als Spielertrainer konnte ich dann 1958/1959 «meinen» ersten Meistertitel mit dem HCD feiern.
Was war Ihr Job beim HCD?
Ich war Laufbursche, Handlanger, Gehilfe. Wenn zum Beispiel die Mannschaft auswärts gegen den ZSC spielen musste, habe ich mit dem Schlitten das Gepäck zum Bahnhof gezogen und beim Umstieg in Landquart darauf aufgepasst, während die Spieler Kaffee getrunken haben. Hauptberuflich war ich aber immer noch Maurer und später Polier. Die Arbeit für den HCD war ehrenamtlich. Erst mit 61 Jahren bin ich offi ziell als Materialchef angestellt worden – nach 45 Jahren.
Welches war rückblickend Ihr schlimmstes Erlebnis beim HCD?
Das war das Spiel gegen Uzwil im Frühling 1990. Wir hatten eine katastrophale Saison in der NLB gespielt und kämpften gegen den Abstieg. Wir mussten Punkte holen. Und dann verloren wir 7:2 gegen Uzwil, das bereits abgestiegen war. Damit war auch unser Abstieg in die Drittklassigkeit besiegelt. Auf der Heimfahrt war es mucksmäuschenstill im Teambus.
Und Ihr schönstes Erlebnis?
Der Meistertitel 2004/2005. Erstens wegen der NHL-Stars Joe Thornton, Rick Nash und Niklas Hagman – alles prima Jungs ohne Starallüren. Zweitens war es der zweite von sechs Meistertiteln mit Arno del Curto, zu dem ich eine enge Beziehung pflegte. In 23 Jahren gab es nicht ein ungerades Wort zwischen uns. Wir telefonieren heute noch ab und zu.
In welcher Sprache reden Sie mit den ausländischen Eishockeyprofis?
Ob Eishockeyspieler oder Maurer – wir verstehen uns, auch ohne einen Doktor zu machen. Auf dem Bau musste ich mich auch mit Portugiesen, Italienern und Ex-Jugoslawen verständigen. Zudem ist mein Eishockey-Englisch mittlerweile ganz passabel.
Ihr Sohn ist in Ihre Fussstapfen getreten und Materialchef bei der Konkurrenz in Zürich. Sind Sie böse auf ihn?
Aber nein, stolz! Er hat vorher als Trainer gearbeitet – vor allem bei den Junioren. Apropos Junioren: Meine beiden Enkel spielen ebenfalls Eishockey. Fabian ist Stürmer und hat gerade seinen ersten Profi vertrag bei den GCK Lions unterschrieben. Marvin ist Goalie und spielt als Junior bei Thurgau.
Sie haben sich längst ein geruhsames Leben als Rentner verdient. Warum arbeiten Sie noch?
Weil mich das fit hält. Ich verteile die Post für die Spieler und organisiere bei Auswärtsspielen die Kaffeepause auf einer Raststätte. Vor allem aber geniesse ich es, nah bei der Mannschaft zu sein. Sie ist für mich wie Familie.
Bewegte HCD-Geschichte
1921
Gründung
Der Zahnarzt Dr. Paul Müller gründet den Hockey Club Davos. «Technik und Taktik des neuen Spiels waren uns noch ganz fremd. Das mangelnde Können wurde durch Feuereifer ersetzt», erinnert er sich später.
1923
Erster Spengler-Cup
Dr. Carl Spengler initiiert den Spengler-Cup. Neben dem HCD sollen hier die verfeindeten Nationen des Ersten Weltkriegs friedlich ihre Kräfte messen. Erster Sieger: die Oxford University aus England.
1926
Erster Meistertitel
Mit einem 4:2 gegen Gstaad wird der HCD zum ersten Mal Schweizermeister. Die Heimspiele werden auf dem Eisfeld vor dem alten Bahnhofsgebäude ausgetragen.
1945
Erfolgsgaranten
Zwischen 1932 und 1950 gewinnt der HCD 16 von 18 Meistertiteln. Säule des Erfolgs ist der legendäre «ni-Sturm» mit Ferdinand «Pic» Cattini, Bibi Torriani und Hans Cattini.
1969/1990
Tiefpunkte
Nach dem Gewinn der Meisterschaft 1961 folgt eine lange Durststrecke für den HCD. 1969 steigt die Mannschaft erstmals in die Nationalliga B ab, 1990 gar in die drittklassige 1. Liga.
1996
Ära del Curto
Arno del Curto übernimmt das Zepter. Als Cheftrainer wird er beim HCD eine 22 Jahre dauernde Ära mit sechs Meistertiteln und drei Spengler-Cup-Titeln prägen.
2005
NHL-Stars
Ein Lockout in der NHL macht es möglich: Mit Cracks wie Niklas Hagman, Rick Nash und Joe Thornton kann der HCD den 27. Meistertitel feiern.
2019
Frischer Wind
Nach dem Abschied von Arno del Curto übernimmt Christian Wohlwend 2019 das Amt des Cheftrainers – mit Enthusiasmus und Erfolg.