Der Davoser Carl Spengler war ein sportbegeisterter Lungenarzt. Als Jugendlicher liebte er es, auf die Berge zu steigen. Als Erste überhaupt standen er und seine damaligen Begleiter 1879 auf der Spitze der über 3’000 Meter hohen Plattenflue im Sertigtal. Carl Spengler war zudem vermutlich der Erste, der in Davos Ski fuhr. Ebenfalls in den 1870er Jahren schnallte er sich im elterlichen Garten lappländische Ski um, die ein Gast mitbrachte.
All das weiss Benjamin Miller. Er ist ein direkter Nachfahre der Spenglers und sammelt Fakten, um ein Familienarchiv aufzubauen. Der Name Spengler ist heute vor allem in aller Munde wegen des Spengler-Cups. Carl rief das Turnier 1923 ins Leben, um Nationen zusammenzubringen. Er stiftete den Pokal, weshalb das Turnier bis heute seinen Namen trägt.
Was die wenigsten heute wissen: Bevor es das Eishockey-Turnier gab, machte sich Carl Spengler in medizinischen Kreisen einen Namen. Der studierte Mediziner gilt als Begründer der Immuntherapie. Was er um das Jahr 1900 erforschte, ist heute aktueller denn je: Die Stärkung des Immunsystems.
Eine Impfung ist eine der verbreitetsten Möglichkeiten, das Immunsystem zu stärken. Durch eine Impfung soll unser Körper dazu gebracht werden, Antikörper zu bilden. Diese sorgen dafür, dass unser Immunsystem den Krankheitserreger abwehrt. Während wir heute vor allem an das Coronavirus denken, dachte Carl Spengler damals an ein Bakterium. Nämlich jenes, das Lungentuberkulose auslöst. Die Infektionskrankheit sorgte dafür, dass Davos als Kurort weltberühmt wurde. Tausende Betroffene liessen sich in den zahlreichen Sanatorien behandeln.
«Carl Spengler hatte einen hohen Drang, zu forschen und der Menschheit zu helfen.»
Der Familienarchivar Benjamin Miller ist ein Urenkel von Lucius Spengler, dem Bruder von Carl. Er vergleicht die Brüder gerne. «Beide waren Lungenärzte in Davos und berühmt für ihre Operationen. Carl scheint aber den Kick nach einem wissenschaftlich grösseren Durchbruch gesucht zu haben.»
Carl Spengler wandte sich also in seiner Forschung von der Chirurgie ab und vermehrt der Biologie zu. Ein Grund dafür war Robert Koch. Der berühmte Forscher und Nobelpreisträger hatte 1892 das Tuberkulin entwickelt, ein Mittel gegen Tuberkulose. Er hatte dies aber nicht genügend getestet. Bei der Anwendung an Menschen kam es zu schweren Komplikationen und Toten. «Das hat Carl Spengler offenbar als Herausforderung gesehen», sagt Miller. Denn in dieser Zeit ging der Mediziner als Assistent zu Robert Koch nach Berlin und weitete seine Forschungen nach einem Immunpräparat aus.
Quelle: Miller/Blauer Heinrich
1894 kehrte Carl Spengler zurück nach Davos, wo er weiterhin als Lungenarzt tätig war und eine Praxis führte. Daneben forschte er. Am Mikroskop separierte er aus Bakterienstämmen Eiweissproteine, um ein Präparat daraus zu entwickeln. Dieser Aufgabe schenkte er offenbar viel Aufmerksamkeit – zuweilen zu viel, wie ein humorvolles Dokument aus dem Archiv von Benjamin Miller zeigt. Es ist die Rede zu Carls Hochzeit 1897 von einem engen Freund der Familie.
Ausschnitt Hochzeitsrede
«Erschrecken Sie nicht, verehrte Frau!
Die Liebe galt, ich weiss es genau,
durchaus nicht einem weiblichen Wesen,
seine Liebe sind die Mikroben gewesen.
Bacillen färben, Bacillen fangen,
das war des Doktor Karl Verlangen.»
Das von Carl Spengler entwickelte Immunpräparat wurde als Salbe in die Armbeuge einmassiert und sollte die körpereigenen Abwehrkräfte ankurbeln, um den Tuberkulose-Erreger abzuwehren. Die Wirksamkeit seines Präparats wurde nie nach modernem Standard belegt. Auch war sein damaliges Immunpräparat in der Schweiz nie zugelassen.
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«Seine Gedanken waren korrekt und hochmodern, aber ihm fehlten die finanziellen Mittel.»
Dennoch könne man von einem wissenschaftlichen Erfolg sprechen, sagt Benjamin Miller. «Gewisse Ideen aus seinem Medikament wurden übernommen und werden heute noch angewendet.» Nach wie vor gibt es Impfungen, mit denen Proteine eines Krankheitserregers verabreicht werden. Bestes Beispiel für einen solchen Proteinimpfstoff ist die Impfung gegen Hepatitis B. Auch gibt es auf dem Markt mehrere homöopathische Mittel zur Stärkung des Immunsystems, die «Spengler» im Namen oder in der Packungsbeilage tragen.
Dass Carl Spengler ein medizinischer Erfolg gelang, zeigt sich auch in den Nachrufen 1937, als er in Davos starb. Renommierte Fachmagazine aus dem Ausland würdigten den Davoser. Wie gesammelte Auszüge von Miller zeigen, bezeichnete das britische Magazin «Nature» Carl Spengler als ‘einen Pionier’. Das «British Medical Journal» wertete seine Forschungen als ‘wichtige und bedeutsame Entdeckungen’ und schrieb weiter: ‘Wie andere grosse Wissenschaftler, war Spengler seiner Zeit voraus’.
Dieses Zitat aus 1937 trifft auch auf den Spengler Cup zu, von dem wohl niemand damals dachte, dass das Eishockey-Turnier bis heute Bestand hat. Was würde wohl Carl Spengler sagen, wenn er wüsste, dass das Turnier 100 Jahre später immer noch die Massen begeistert? Sein Urgrossneffe Benjamin Miller meint: «Er wäre wohl ziemlich erstaunt. Aber auch ziemlich erfreut.»
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